Da fuhr ich mit meinem Auto noch einen kleinen Umweg nehmend von einer wunderschönen Geburtstagsfeier nach Hause zurück, freue mich über die saftig-grünen Weiden, den blauen Himmel mit den bauschigen Schäfchenwolken, die sich in jedem See widerspiegeln, die hellgrünen Birkenwälder, die schönen roten Holzhäuser, die Bachstelzen und Kiebitze am Straßenrand, da …
Ein Vogel, eine Drossel sieht mich zu spät, auch ich erkenne den braunen Vogel auf der braunen Schotterpiste erst kurz, bevor ich schon mit dem Auto über ihn hinweg sause, zwei Räder links, zwei Räder rechts. Vielleicht ist ja alles gut gegangen, hoffe ich. Hoffe ich.
Ich bleibe stehen, schaue mich um, und sehe den Vogel an der Seite hocken. Ein kleines, zitterndes Häufchen Elend. Er schlägt verzweifelt mit den Flügeln, aber der restliche Körper ist zu schwer verletzt und gehorcht nicht. Ich nähere mich vorsichtig dem Vogel, der mich furchtsam anstarrt und mit weit aufgerissenem Schnabel anfaucht. Angst. Nach kurzer Zeit unsicheren Nachdenkens – was tun!? – glaube ich, dass die Verletzungen zu groß sind – ich erspare Euch die Details – und auch ein Tierarzt dem Vogel nicht mehr helfen kann. Ich beschließe den Vogel zu töten, ihm das Genick zu brechen, um ihm unnötiges Leiden zu ersparen. Habt Ihr schon einmal einen kleinen, warmen, atmenden Vogel in der Hand gehalten? In seine Augen geschaut? Ihn auf den Boden gelegt, ihm ruhig zugeredet und dann getötet? Und gesehen, wie das Auge bricht? Dies gehört zu den Erlebnissen, die ich keinem wünsche.
Weiter bin ich gefahren, trauernd um den Vogel, den ich mit dem Auto überfahren und dann getötet habe. Und auch voller Selbstzweifel. Hätte ich den Unfall verhindern können? Hatte der Vogel Junge, die im Nest auf ihn warten? Hätte ein erfahrender Tierarzt den Vogel vielleicht doch noch retten können?
Nur auf die erste Frage weiß ich eine Antwort, nein, ich hätte den Unfall nur verhindern können, wenn ich nicht Auto gefahren wäre. Mein Blick war auf die Straße gerichtet, ich fuhr nicht sehr schnell, der Vogel war mit seiner Tarnung und in einem Schlagloch hockend einfach nicht zu sehen gewesen.
Es wird dauern, bis ich mich wieder ins Auto setze, ohne den furchtsamen Blick der überfahrenen Drossel vor Augen zu haben. Und das Auge des toten Vogels.
Ich habe lange überlegt, ob ich einen Blogartikel über dieses Erlebnis schreiben sollte. Aber ich finde, auch solche Erlebnisse gehören zu meinem Leben in Nordschweden dazu, auch wenn es mir schwer fällt, darüber zu berichten.