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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Jubiläum – 5 Jahre Schweden

Heute ist schon ein besonderer Tag: Genau heute vor fünf Jahren bin ich Skellefteå in Nordschweden angekommen. Seitdem lebe ich hier, die ersten Monate in Skellefteå selbst, den Rest der Zeit in Skelleftehamn an der Küste. Fünf Jahre ist eine lange Zeit. Dass ich einmal in München gelebt habe, scheint Ewigkeiten zurückzuliegen. Ich vermisse immer noch Freunde und Familie, die in Deutschland leben, das wird sich wohl nie ändern, aber abgesehen davon vermisse ich Deutschland nicht wirklich, mein Leben „hier oben“ gefällt mir einfach zu gut. (Na gut, deutsches Brot vermisse ich, aber das ist ein anderes Thema …) Ich will den heutigen Tag ein bisschen zurückschauen und ganz subjektiv über einige Facetten meines Lebens hier in Schweden schreiben.

Los geht’s:

Natur

Wer dieses Blog ein bisschen kennt, der weiß, dass ich gerne in der Natur bin, wenn auch nicht so oft, wie ich gerne möchte. Meine Liebe zur skandinavischen Natur war ja eine der großen Triebfedern, warum ich überhaupt vor fünf Jahren hier hochgezogen bin. Sie war auch schon vorher Triebfeder, als ich vor elf Jahren von Essen nach München gezogen bin, denn damals wollte ich entweder Berge oder das Meer in der Nähe haben.

In München waren die Berge immer noch eine Stunde entfernt, hier kann ich zum kleinen Sandstrand am Meer laufen und dabei das Kajak auf seinem kleinen Wägelchen hinter mir herziehen. Und im Winter kann ich vom Haus aus Skitouren über das Meereis. unternehmen. Das sind Sachen, über die ich mich noch genau so freuen kann wie beim ersten Mal.

Wenn ich es mir aussuchen kann, dann bin ich gerne dort unterwegs, wo man weit gucken kann. Deswegen mag ich ja das Meer auch so, selbst wenn es „nur“ die Ostsee ist. Und deswegen vermisse ich auch manchmal die schwedischen Berge, das Fjäll. Es wäre schön, sie vor der Haustür zu haben. Doch anders als in Norwegen gibt es in Schweden keinen Ort, wo man Meer und richtige Berge gleichzeitig haben kann. Aber man kann ja hinfahren, das Fjäll ist gerade mal 300 Kilometer entfernt – ein Klacks für manchen schwedischen Autofahrer.

Kultur

Was ich hier mit Kultur meine: Musik, Kunst oder Theater. Was ich hier nicht mit Kultur meine: Tischmanieren oder fließendes Wasser.

Kultur – dafür, dass Skellefteå so klein ist, gibt es erstaunlich viel davon. Es gibt Museen, es gibt ein aktives Theater, es gibt eine Musikszene, nur leider keine guten Aufführungsorte für Musik, aber das ist in Deutschland ja oft auch nicht anders. Außerdem habe ich den Eindruck, dass jeder hier irgendetwas Kreatives macht, ob Musik oder Fotografie, Malerei oder Töpferei.

Es gibt auch hervorragende Jazzmusiker in der Stadt – ich war wirklich überrascht. Doch leider – auch ähnlich wie in Deutschland – findet man kaum mal zu einer Session oder einer Probe zusammen. Alle haben einen Fulltimejob (oder zwei …), die meisten haben Familie, da bleibt für die Musik aus Spaß an der Freude neben dem Kommerz oft wenig Zeit.

Darüber hinaus findet Kultur im Sommer nicht statt, denn dann ist Medelsvensson – der Durchschnittsschwede – auf seiner Stuga – in seinem Wochenendhaus. Dort bleibt er viele Wochen, um seine Ruhe zu haben, Boot zu fahren, die alte Stuga abzureißen, eine neue zu bauen, zu grillen, in die Sauna zu gehen und vor allem, um den schwedischen Sommer zu geniessen – mit 24 Stunden Helligkeit und oft auch sommerlicher Wärme. Da hat man für so etwas wie Kultur keine Zeit.

Im Winter hingegen beginnt irgendwann die Eishockeysaison, und da Skellefteå AIK zwei Mal hintereinander schwedischer Meister war, spielt Eishockey hier eine enorme Rolle. Wenn abends gespielt wird, braucht man gar nicht anzufangen, für diesen Abend ein Konzert zu planen. Die Prioritäten sind eindeutig.

Aber seien wir ehrlich: Wenn ich von München nach Nordschweden gezogen wäre, um mehr Kultur zu erleben, wäre ich schon ziemlicher Dummkopf.

Wetter

Das Zweitbeste am nordschwedischen Wetter finde ich die Jahreszeiten. Im Gegensatz zur Stadt Essen, wo man die unterschiedlichen Jahreszeiten hauptsächlich an der Temperatur des Regens unterscheiden konnte, sind hier alle Jahreszeiten klar ausgeprägt. Das liegt natürlich vor allem an dem Besten des nordschwedischen Wetters, dem Winter!

Wenn ich ehrlich bin, dann war es hauptsächlich der Winter, warum ich in den Norden Skandinaviens gezogen bin. Hier hat man monatelang Schnee und Kälte (wenn auch dieser Winter über viele Wochen extrem mild war) und das möchte ich nicht missen. Von mir aus darf es meterhohen Schnee geben und gerne auch rattenkalt sein – möglichst von November bis April. Und wenn es dann klar ist und ich das Polarlicht sehe – um so schöner. Dieses Jahr hat es allerdings so viele Polarlichter gegeben, dass ich für einen einfachen grünen Bogen nicht mehr groß hinausschaue – da geht mein Schönheitsschlaf vor!

Doch jetzt ist Frühling, die Schneehaufen schmelzen zusammen, die Tage sind schon lang und gestern hatten wir das erste Mal über 15 °C. Ein guter Start in die helle und warme Jahreshälfte.

Job

Wer hätte das gedacht, dass ich jemals in meinem Leben fünf Jahre bei dem gleichen Firma angestellt sein würde. Vielleicht am wenigsten ich selbst. Ich, dem viel Zeit und Flexibilität so wichtig ist und der erst ein einziges Mal in seinem Leben vorher angestellt war: 15 Monate bei einem Münchner Unternehmen. Das ging nicht so gut, wir passten einfach nicht so zusammen.

Übermorgen vor fünf Jahren hatte ich meinen ersten Arbeitstag bei Artopod, welches sich kurze Zeit später in Hello Future umbekannt hat. Ein Grund dafür ist die ungeheure Flexibilität, die ich dort geniesse. Ich habe nicht nur wesentlich mehr Urlaub als üblich (und dafür natürlich weniger Geld), sondern ich konnte auch ohne jegliche Schwierigkeiten darüber hinaus dienstfrei nehmen, um diesen Winter meine Nordkalotten-Reise zu machen. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich jemals wieder ein Unternehmen finden werde, bei dem ich solch eine Freiheit geniessen werde. Und auch so ein Vertrauen, denn eine Zeiterfassung haben wir nicht, auch nicht für Urlaubstage.

Die Stadt

Ehrlich gesagt bekomme ich gar nicht so viel von der Stadt mit. Zwar arbeite ich meistens im Büro in Skellefteå (und manchmal zu Hause), doch darüber hinaus bin ich selten dort. Es gibt weder einen Foto-, noch einen richtigen Outdoorladen und überraschenderweise auch keine deutsche Buchhandlung, das macht mein Leben überraschend günstig.

Aber es gibt neben den schon erwähnten Museen und dem Theater auch Kinos, eine Musikschule, ein riesiges Antiquariat und einen Jazzclub. Nicht schlecht für eine Stadt von 33000 Einwohnern, oder?

Ich bin froh, dass ich nicht in der großen, großen Stadt wohne, sondern hier in Skelleftehamn, wo ich fast auf Hafen und Meer schauen kann und von Wald umgeben bin. (Kleine Korrektur: Hier gibt es keinen Wald, sondern nur Forst. Und der ist zum Abholzen da, wie es diesen Winter leider recht großflächig geschehen ist.)

Essen

Ich bin tolerant, ich denke meiner Meinung nach sehr frei und habe mit kulturellen Unterschieden keine Probleme. Beim Essen in Skellefteå stoße ich aber manchmal an meine Grenzen. Das geht übrigens manchem Schweden aus Stockholm nicht anders.

Folgende nicht ganz ernsten Regeln habe ich extrahiert:

  • Regel 1: Fleisch und Kartoffeln. Damit kommt man durch das Jahr.
  • Regel 2: Gemüse ist völlig unnötig, darf aber notfalls als Dekoration benutzt werden.
  • Regel 3: Salat ist Eisbergsalat, Tomate, Gurke und alles, was man in Konserven findet, zum Beispiel Mais oder Kidneybohnen. Dressing ist überbewertet.
  • Regel 4: Beasås geht zu allem, zu Fleisch, zu Pizza, zu italienischen Pasta. Dabei ist „Bea“-Soße nicht mit echter Béchamelsauce zu verwechseln. Sie ist kalt und hat die Konsistenz von Kleister.
  • Regel 5: Man kann alles in eine Pizza Calzone einbacken. Auch einen Hamburger! Inklusive Pommes!
  • Regel 6: Schwedisches Brot folgt eigenen Gesetzen. Dazu empfehle ich Frau E.’s Artikel Bread behind the boarders (englisch).
  • Regel 7: Viele Schweden halten ihr Essen für das beste der Welt.
  • Regel 8: Wenn dann „der Schwede“ aber selber kocht, ist das Essen fast immer phantastisch und entspricht wenig den vorherigen Regeln.

Schwede werden?

Wenn ich recht informiert bin, dann darf ich jetzt Schwede werden, denn dazu muss man fünf Jahre in diesem Land gelebt haben. Ehrlich gesagt ist es mir ziemlich egal, was ich für eine Nationalität in meinen Ausweisdokumenten angegeben habe. Ich kann mit dem Konzept der Nation ohnehin nicht viel anfangen.

Es gibt aber ein Argument, welches für die schwedische Staatsbürgerschaft spricht und das sind die schwedischen Reichstagswahlen, die mit den deutschen Bundestagswahlen vergleichbar sind. Ich darf zwar an den Kommunalwahlen (kommunalval) und den Landtagswahlen (landstingsval) teilnehmen, aber an den Reichstagswahlen (riksdagsval) darf ich nicht teilnehmen. Den deutschen Bundestag hingegen kann ich auch vom Ausland aus weiterhin wählen, obwohl ich seit Jahren nicht mehr in Deutschland lebe.

Das führt zu der seltsamen Situation, dass ich durch meine Wahl die deutsche Politik mitbestimmen darf (zumindest zu 0,0000016 %), aber in Schweden, dem Land in dem ich arbeite, lebe und meine Steuern zahle, darf ich das nicht. Das gefällt mir nicht und deswegen ist es gut möglich, dass ich vor der nächsten Reichstagswahl Schwede werde.

Noch ein weiterer Schritt zu Olaf, dem Elch.

Nordkalottenreise II

Hoppla, über drei Wochen ist es schon her, dass ich von meiner Nordkalottenreise zurück bin. Eigentlich wollte ich bis Ostern unterwegs sein, aber zum Schluss hatte ich doch mehr Lust, noch einmal zwei Wochen zu Hause zu sein, ehe ich mich mit Annika und einer Freundin von ihr zur Osterwoche in Äkäslompolo in Finnland zum Skilanglauf treffe. Am früheren Tourende war auch der Winter schuld, der sehr viel Tauwetter und Plusgrade mit sich brachte – Dinge, die ich im Winter nicht haben möchte.

Aber viele schöne Erlebnisse hatte ich dennoch. Hier noch eine kleine Auswahl der englischen Artikel auf way-up-north:

Wer möchte, kann auch alle Artikel am Stück lesen: Nordkalotten 2015 (Das ist eine lange, lange Seite, die braucht ein bisschen zum Laden!)

Jetzt ist keine weitere Reise in Sicht und ich bin erst einmal wieder zu Hause in Skelleftehamn. Auch mal schön, ein eigenes Bett, eine Badewanne und meinen Flügel um mich herum zu haben. Und am Dienstag geht es auch wieder richtig mit der Arbeit los.

Nordkalottenreise I

Seit 18 Tagen bin ich unterwegs. Auf den Vesterålen war ich, in Tromsø war ich, jetzt bin ich gerade in Abisko.

Über all das schreibe ich im englischen Blog way-up-north.

Einige ausgewählte Artikel:

Oder die ganze Reise: Nordkalotten 2015

Winterschlaf

Liebe Nordwärtsleser.

Ein „selfie“ von gestern AbendIn ein paar Tagen geht meine lange Reise durch Nordschweden und Nordnorwegen los. Während dieser Zeit wird das Blog Nordwärts seinen Winterschlaf fortsetzen und vor Ostern nicht wieder aufwachen.

Wer wissen möchte, was ich auf der Reise so erlebe und wo ich gerade bin, kann dies auf way-up-north, welches schon längst mein Hauptblog geworden ist, lesen und sehen.

Dort schreibe ich auf Englisch, aber auch für die, die es nicht so mit Englisch lesen haben, lohnt es sich vielleicht, vorbeizuschauen, denn viele Bilder gibt es natürlich auch. (Übrigens auch jetzt schon …)

Schöne Grüße,
/Olaf

München—Stockholm

In einer viertel Stunde ist Boarding time für den Flug nach Hause nach Skellefteå. Da wollte ich eigentlich schon gestern sein aber wegen des Schneefalls war der Flugverkehr gestern ein wenig auf den Kopf gestellt und so bin ich gestern nur bis Stockholm gekommen.

Auch die Maschine nach Stockholm hatte gestern eine Stunde Verspätung, da sich erst wegen des Schneefalls die Gepäckabfertigung verzögert hat und dann das Flugzeug zum Enteisen musste. Auf dem Weg dahin konnte man fast Landschaftsfotografie vom Flugzeug aus machen. Das De-Icing hingegen erinnerte fast an die alten Star-Wars-Filme.

Landschaftsfotografie durchs Flugzeugfenster

Der Flughafen MünchenDeicing

Der Flug selber war ruhig, zuerst schwebten wir über einem bläulichen Wolkenmeer, doch später, als es dunkler wurde, klarte es auf und man konnte auf die beleuchteten Orte und Straßen hinunterschauen. Das Stadtfoto ist kurz vor dem Landeanflug gemacht.

Sonnenuntergang„Nachtflug“

Erst um 19:06 landeten wir. Da die letzte Maschine nach Skellefteå für 17:50 angesetzt war, brauchte ich nicht einmal schauen, ob ich vielleicht doch noch einen Anschluss bekomme. Nach einigem Gerenne im Terminal 5 habe ich aber schließlich, wie schon in München zugesagt, ein Hotelzimmer bezahlt bekommen, sogar mit Abendbrot und Frühstück.

Hamburger im Terminal 5Hotelbadezimmer

Und so konnte ich über dem langen Gang von Terminal 5 zu den anderen Terminals sitzen und meinen bestellten Hamburger essen und danach direkt ins große Bett gehen. Nur warum die Hotelkopfkissen immer halbmeterhoch sind, werde ich nie begreifen. Wer kann mit so etwas schlafen?

Korrigiert wird dieser Artikel später oder gar nicht, denn jetzt steht auf der Anzeigetafel „Go to gate“. Und das werde ich tun. In gut zwei Stunden bin ich zu Hause.

Auf den Kopf gestellt

Eine Freundin ist den ganzen Winter in Neuseeland. Dort steht, wie man schon alles kleines Kind gelernt hat, alles und alle auf dem Kopf.

Auch hier steht einiges auf den Kopf. Ich war die Feiertage über in Süddeutschland, wo es seit einigen Tagen immer wieder schneit und inzwischen Dauerfrost herrscht. Heute fliege ich wieder nach Hause in Skelleftehamn, wo es gestern noch -20 °C hatte. Morgen soll es jedoch warm werden und regnen. Winter im Süden und Tauwetter im Norden, das ist schon ein bisschen doof.

Es ist doof, dass es in Nordschweden so warm ist. Denn dort bin ich die nächsten Tage nicht alleine, sondern drei Freunde aus Deutschland sind bei mir. Denen würde ich schon sehr gerne einen richtigen Nordwinter mit viel Schnee und Kälte präsentieren und nicht Tauwetter mit Regenschauern.

Es ist auch doof, dass es in Mitteleuropa so kalt ist, allem voran in Zürich. Denn während meine Freunde schon am Vormittag den Flieger nach Stockholm genommen haben, stand für mich noch ein Umweg über Zürich im Programm. Doch wegen des Schneefalls in Zürich ist dieser Flug ausgefallen.

Nach ein bisschen hin und her wurde ich zum Ticketservice geschickt. Dort durfte ich dann trotz einer nicht allzu langen Schlange anderthalb Stunden anstehen. Als ich endlich drankam, war es für die einzige Alternative, heute noch nach Hause zu kommen, zehn Minuten zu spät. Die weitere Beratung, wann ich über wo nach wohin fliege und ob vielleicht ein Hotel in Arlanda bezahlt wird, hat auch fast eine halbe Stunde gedauert.

Nun hocke ich hier auf dem Flughafen München, während A schon nach Skellefteå fliegt und C + O wenige Stunden später nachfolgen. Der Nachbar in Skelleftehamn weiß Bescheid und hält den Schlüssel bereit.

Mein Flug geht voraussichtlich in einer knappen Stunde, dann bin ich immerhin schon einmal in Stockholm. Dort geht ich zum Schalter mit Swiss, die zugesagt haben, mir ein Hotelzimmer zu bezahlen. Nach einer Übernachtung werde ich morgen den ersten Flug nehmen und um halb zehn ebenfalls in Skellefteå landen. Wenn alles klappt.

Denn auch hier kommt so manches an Schnee herunter:

„Schneedach“„Schneebesen“„Schneepflug“„Schneeturbine“

Momentaufnahme

Sonne und Reif

Achter Dezember, halb elf: Die Sonne steht tief am südöstlichen Horizont und bescheint die mit Eisblumen besetzte Windschutzscheibe meines Autos. Hörer als 2.8 °C wird die Sonne heute nicht über den Horizont steigen und um kurz nach halb zwei wieder untergehen. Das ist schon recht winterlich – jetzt fehlt bloß noch der Schnee und eine richtige Frostperiode für einen nordschwedischen Winter.

Bei Wildunglück …

Eigentlich muss ich erst im Januar zur „Bilbesiktningen“, dem schwedischen TÜV. Aber da ich im Januar schon auf großer Tour bin, habe ich den TÜV auf heute vorgezogen. Mit dem Hinweis, den Auspuff und die Bremsleitungen im Auge zu behalten, habe ich mein Auto wieder problemlos durch den TÜV gebracht. Toll!

Zum Schluss wies der TÜV-Prüfer noch auf einen Stapel leuchtendoranger Zettel mit der Frage, ob ich so etwas hätte. Nein, habe ich nicht. Ich könnte gerne einen mitnehmen. Auf dem Zettel stand „Viltolycka Ring SOS 112“ – „Wildunfall, Ruf SOS 112 an“. Und das Band kann man zum Absperren benutzen.

Viltolycka Ring SOS 112

Auf der Rückseite sind die Tiere abgebildet, bei denen man einen Unfall nach §40 der Jagdverordnung polizeilich melden muss:

Die meldepflichtigen Tierarten

  • Bär
  • Wolf
  • Vielfrass
  • Luchs
  • Elch
  • Damhirsch
  • Rothirsch
  • Wildschwein
  • Mufflon
  • Reh
  • Fischotter
  • Adler

Nun sind Unfälle mit Bär, Wolf und Luchs selten, die Tiere gibt es aber wirklich hier, wenn auch nicht direkt in Skelleftehamn. In Kusfors, 70 Kilometer von hier, wo ich Freunde habe, lebt seit Jahren ein Bär. Dort hat ein Freund dieses Jahr auch einen Wolf gesehen. Und anderthalb Dörfer weiter sind Luchsspuren entdeckt worden.

Die meisten Zusammenstöße geschehen mit Ren und Elch. Mich wundert, dass das Ren nicht mit aufgeführt ist, denn meines Wissens muss man auch bei einem Zusammenstoß mit einem Rentier die Polizei rufen. Da es allerdings keine wilden Rens im Norden gibt – alle gehören den Sámi – kann es sein, dass in diesem Fall nicht §40, sondern ein anderes Gesetz zur Anwendung kommt.

Von Januar bis März werde ich manche tausend Kilometer hier im Norden mit dem Auto zurücklegen. Die Bären werden schlafen, andere Tiere nicht. Wünscht mir Glück, dass mir keines vors Auto läuft.

Beam mich ins Weihnachtsland!

Heute um viertel vor sieben war Probe mit dem Kammerchor. Nach zwei wunderschönen Konzerten am Wochenende, an dem wir zusammen mit dem Chor Da Capo das Brahmsrequiem in der Version für Chor und zwei Flügel aufgeführt haben, stand heute die erste Probe für das Weihnachtskonzert auf dem Programm. Und plötzlich singt man von „Christmas time“ und von „Jul“ und „Titta det snöar“ – schau, es schneit!

Ich allerdings war schon seit zwei Stunden in Weihnachtsstimmung, und das lag bestimmt nicht am nasstrüben Wetter, welches jedes Fitzelchen Schnee schon längst wieder in Dreckpfützen verwandelt hat. Nein, ich hatte eine Weihnachtsoffenbarung in Skellefteås Lidl.

Es ist eine kleine Tradition, dass ich dort manchmal vor der Chorprobe Dinge kaufe, die ich sonst in Schweden schwer oder gar nicht bekomme: richtiges Brot (aus deutscher Sicht), Schwarzwälder Schinken, aber auch italienische Antipasti.

Und dann war da dieses Regal. Ein riesiges, breites, hohes Regal. Und darin befanden sich hunderte und aberhunderte Packungen, deren Inhalt den meisten Schweden völlig unbekannt sein dürfte: Lebkuchen! Pfeffernüsse! Oblaten! Spekulatius! Baumkuchen! Eigentlich das komplette deutsche Weihnachtssortiment.

Wie ein Kind im Schlaraffenland stand ich da, den Mund offen, dem Anblick kaum trauend. Und ich musste mich mühsamst beherrschen, nicht säckeweise Weihnachtsleckereien einzukaufen. Nur eine große Tüte Lebkuchen wanderte in meinen Pappkarton.

Und dann der erste Bissen, kurz vor der Chorprobe. Herrlich! Manchmal bin ich mit einfachsten Mitteln sehr glücklich zu machen. Lebkuchen im November gehören mit dazu.

Nach der Probe glitzerten die Straßen. Der Himmel war teilweise aufgeklart und die Straßen glatt. Und zwischen den Wolken konnte man den Mond und einige Sterne erblicken.

Sternenhimmel

Und sonst? Einige werden gemerkt haben, dass ich hier drei Wochen nichts mehr geschrieben habe. Zum einen hatte ich viel um die Ohren, zum anderen schreibe ich über die meisten Themen im neuen Blog way-up-north. Ich werde versuchen, zumindest ab und zu hier zu schreiben, doch von Januar bis März, wenn ich meine große Skandinavienwinterreise mache, werde ich wohl nur das neue Blog up to date halten.

Nordisches Entfernungsempfinden

In manchen Punkten werde ich immer nordschwedischer. Ein solcher Punkt ist mein Entfernungsempfinden. Sieben Meilen (also siebzig Kilometer), um bei Freunden vorbeizuschauen, dass finde ich nicht wirklich weit. Zehn Minuten zu Fuß in Skellefteå hingegen, das ist schon richtig was.

Das ist gewiss ein wenig übertrieben, dennoch war es interessant, was passiert ist, als ich heute ein Meeting bei Skellefteå Kraft hatte: Der Hinweg hat zehn Minuten gedauert, aber der Rückweg über eine Stunde.

Als das Meeting zu Ende war, bin ich erst nebenan in die Bibliothek gegangen, um ein Buch und passendes Hörbuch auszuleihen. Das ganze ist für den Schwedischunterricht, den ich nehme, um meine Aussprache zu verbessern. Dann zurück über die E4, die mitten durch die Stadt führt und wieder in die Fußgängerzone. An der Kreuzung liegen nasse und einfrierende Schneehaufen. Viel ist ja nicht gefallen, aber wenn man beim Straßenräumen das bisschen zusammenschiebt, kommt auch was zusammen.

Hörbücher von Torgny LindgrenSchneehaufen an der Kreuzung

Die Fußgängerzone hingegen ist schneefrei und trocken, denn die hat ja Fußbodenheizung. Dann noch mal kurz in den Teeladen, grüner Tee ist alle. Also, wenn man schon mal in der Nähe ist … (Ich arbeite 500 Meter weiter!) Den kleinen Flohmarkt der Schwedischen Missionskirche lasse ich aus, in das Schaufenster des kleinen Sportlädchens schaue ich nur kurz. Aber bei der Bank schaue ich rein, denn dort bin ich auch versichert. Ich will für meine Winterreise das Gepäck gegen Diebstahl versichern lassen, denn mit Kameraausrüstung, Pulka, Daunenparka, Winterschlafsack und so kommt da ganz schön was zusammen. Aber – wie ich schon vermutete – muss ich bei der Versicherung direkt anrufen, das ist zu speziell.

Weiter in Richtung Büro. Aber kurz vorher noch bei ICA rein, ein paar Lebensmittel für den Abend kaufen. Danach bin ich dann aber tatsächlich wieder ohne weiteren Zwischenstopp ins Büro gegangen. Ein bisschen doof kam ich mir vor, denn das Stadtzentrum ist so klein, dass ich jederzeit Besorgungen machen könnte. Aber ich tue es nicht, denn nach der Arbeit will ich lieber nach Hause ins beschauliche Skelleftehamn, als noch in der Stadt Besorgungen zu machen.

Um fünf bringt mich der Bus nach Hause. Auch er überquert die E4 und fährt an Skellefteå Kraft und der Bibliothek vorbei. Überall liegen Schneereste und der kurze Blick auf den Skihügel zeigt diesen sogar ganz in weiß. Nur der äußerste Teil von Skelleftehamn ist komplett schneefrei, denn hier ist es ein Grad wärmer, weil das Meer noch offen ist.

Skellefteå Kraft und Bibliothek