Am Mittwoch wachte ich auf und hatte einen Grashüpfer im Ohr. Also keinen echten, sondern ein bisschen das Geräusch, welches durch das Zirpen einer kleinen Heuschrecke entsteht. Zzzrrr – zz zzzrr – Pause – zzzrrr. Das ist ein Symptom, welches einem Musiker nicht gerade gefällt, denn da ist bei den meisten Musikstilen das feine Ohr doch recht wichtig.
Also wollte ich einen Arzttermin machen. Und das ging folgendermaßen:
Zuerst habe ich die Telefonnummer der Zusatzversicherung angerufen, die mein Arbeitgeber Hello Future für uns alle abgeschlossen hat. Da ging auch gleich jemand dran. Ich schildere meine Symptome. Er: Ja, also Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten hätten sie in Skellefteå keinen, mit denen sie zusammenarbeiten würden. Was denn bei mir in der Nähe wäre. Ich: Ich weiß ja nicht, wo sie Spezialisten haben. Er: Ja, das stimmt. Ob ich vielleicht nach Sundsvall kommen könnte.
Sundsvall ist 400 Kilometer von Skelleftehamn entfernt. Von dort aus bin ich schneller in Stockholm als wieder zu Hause.
Ich: Das ist zu weit. Er: Ob ich dann vielleicht erst einmal zu einem allgemeinen Arzt möchte. Ich: Ja, dann das. (Der kennt sich ja vielleicht auch aus). Er: Ja dann machen wir das. Das kostet dann 650 Kronen „självrisk“, also Selbstbeteiligung.
70 Euro für einen Besuch bei einem Arzt, der mit vielleicht gar nicht helfen kann, erscheint mir zu teuer, also lehne ich ab. Dann mache ich lieber einen Termin mit der Vårdcentralen, dem Gesundheitszentrum aus.
Das funktioniert so: Ich rufe ein System an, welches meine Nummer feststellt. Dieses bucht dann einen Termin für den Rückruf eines Mitarbeiters des Gesundheitszentrums, mit dem ich dann einen Termin ausmachen kann. Ich bekomme sozusagen einen Termin für einen Termin. Allein, dieses System sagt mir nur, dass es zur Zeit nichts entgegennehmen könne, ich solle doch später mal probieren. Das sagt es den ganzen Mittwoch.
Ich bin genervt.
Ich rufe direkt die Rezeption der Vårdcentralen an, irgendwann am Nachmittag geht auch jemand dran. Ich gehe davon aus, dass dieses blöde Rückrufystem kaputt ist und ich einfach jetzt einen Termin abmachen kann, denn dafür ist die Rezeption wohl auch da. Weit gefehlt! Termine abmachen darf ich nur über das System und wenn es nicht antwortet, dann ist es für diesen Tag schon voll.
Wir reden wohlgemerkt von der Möglichkeit, ein Gespräch zu bekommen, um in diesem Gespräch einen Termin vereinbaren zu dürfen. Mit einem echten Termin am gleichen Tag habe ich gar nicht gerechnet.
Ich rufe die 1177 an, eine Art Gesundheitsberatung des Landes. Aber auch dort komme ich nicht weiter. Der einzigen Tipp, den ich bekomme: Ich solle das System direkt am nächsten Morgen anrufen, am besten schon einige Minuten vor acht.
In meinem Ohr zirpt es und ich bin sehr genervt.
Donnerstag, 7:56: Ich wähle leicht aufgeregt die Nummer. Meinem Ohr geht es zwar wieder besser, aber ich möchte das auf jeden Fall überprüfen lassen. Und – hurra! – um 8:50 soll ich zurückgerufen werden. Ich tippe noch meine Personennummer ein, um das System glücklich zu machen.
Donnerstag, 8:51: Das Telefon klingelt. Eine Frau von der Vårdcentralen meldet sich. Prima, das hat also geklappt! Ich schildere mein Problem. Sie hat meine Personennummer und weiß deswegen schon, dass ich in Skelleftehamn wohne und auch, welche Straße.
Sie: Ah ja, Tallvägen, da ist […] für Dich zuständig. Ich: (zustimmendes Gemurmel). Sie: Der hat aber diese Woche frei. Danach schweigt sie. Vermutlich wünscht sie sich, dass ich mich entschuldige und auflege. Aber ehrlich gesagt ist es mir pipsegal, wie dort organisiert wird und wer wann für mich wo zuständig ist. Also mache ich es dringend. Ich erzähle zum einen, dass ich Musiker bin, zum anderen, dass ich mir von keinem Arzt in einigen Wochen anhören möchte: „Ja, wärest Du mal früher gekommen!“.
Das letzte Argument zählt. Ich bekomme einen Termin für Freitag, 10 Uhr.
Freitag 9:55. Ich melde mich bei der Rezeption und darf 200 Kronen zahlen, weil ich direkt zum Arzt komme. Normalerweise kommt man erst zu einer Art Gesundheitsbetreuer, der gute allgemeinmedizinische Kenntnisse hat und auch Rezepte ausstellen darf, dann kostet es nur 100 Kronen.
Freitag, 10:02. Ich werde von einer jungen Ärztin aufgerufen und folge Ihr in ein „Hals-Nasen-Ohren“-Zimmer. Sie macht einige Hörtests mit einer Stimmgabel mit mir. Wie man eine Stimmgabel anschlägt, weiß sie nicht. Wie die Tests gehen, googelt sie ganz offen am Computer neben mir. Sie war, so erzählt sie, ein Jahr „mammaledig“, also in Elternzeit und muss erst wieder reinkommen. Aber zumindest misst sie meinen Druck im Ohr und auch ein Hörtest wird gemacht, letzterer mit einem Kasten der aussieht wie ein Experimentierkasten „Der kleine Radiotechniker“ von 1957. Nächste Woche wird sie mich wohl zurückrufen, um zu erzählen, dass sie nichts gefunden hat und ich warten soll, bis es besser wird. Das ist meine Prognose.
Ich gebe hiermit die Empfehlung, in Schweden nur ernsthafte und akute Gesundheitsprobleme zu haben (Vom Elch niedergetrampelt, der Bär hat einen Arm abgebissen …), denn dann darf man die 112 anrufen. Oder – noch besser – werdet in Schweden einfach nicht krank. Bleibt gesund und munter. Und wenn Ihr was habt, dann stellt Euch bitte nicht so an wie ein gewisser deutscher Blogschreiber in Skelleftehamn!
NB: Ich habe bei der gleichen Zusatzversicherung (ganz oben im Text, Ihr erinnert Euch?) auch nach einem Fußexperten gefragt, weil der rechte Fuß manchmal ein bisschen herumzickt. Da hat dann am Nachmittag ein Krankengymnast zurückgerufen und am Freitag morgen hatte ich direkt den ersten Termin. Manches läuft also auch rund.