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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Gästezimmer und Bibliothek

Am Donnerstag habe ich eine große IKEA-Lieferung mit vielen hellen Holzteilen in unterschiedlichen Größen und Plastiksäckchen mit Schrauben, Holzzapfen und Inbusschlüssel erhalten. Heute habe ich deshalb den ganzen Tag im Keller verbracht und erst Regale gebaut, dann sämtliche Bücher recht unsortiert einsortiert und zum Schluss noch das Bett zusammengebaut, damit die komprimierte Matratze sich schon mal ein bisschen aufpusten kann. Das Bibliotheks-Gästezimmer ist also im Grunde fertig und wird ab Dienstag schon durch Thomas eingeweiht, der zwei, drei Tage bei mir ist, um die vielen, kleinen Dinge zu fixen, die im Haus gemacht werden müssen und für die ich zu ängstlich oder zu unerfahren bin, um sie selber zu machen.

Und was ist das? Musik? Nun – das war gestern:

Nächste Woche heiraten Kollegen und normaler­weise machen die Frauen vorher mit der zukünftigen Braut „möhippa“ und die Männer entsprechend „svensexa“. Dieses Mal ist aber alles etwas anders gewesen und unter dem Motto „Mösexa och Svenhippa!“ sind die Frauen mit dem Bräutigam losgezogen und wir mit seiner zukünftigen Frau. Beim Bowling war ich nicht dabei, denn wir haben geprobt. Die Kollegin hatte nämlich die Aufgabe, zwei Beatles-Stücke einzu­singen, eine Aufgabe, die sie gut gemeistert hat, wie man auch nachträglich auf dem Musik­video sehen konnte. Ich fand es interessant, wie viele Kollegen von 10 Merchant Street nicht nur ein Instrument spielen können, sondern auch die Beatles-Lieder souverän auswendig spielen. Die ganze Aktion war schon eine sehr lustige Sache. Ich habe die anschließende Party allerdings um halb zwölf verlassen, denn … siehe oben … .

Zwei Vögel

1. Der Seidenschwanz

Ich habe heute zu Hause gearbeitet und überall auf den Telefonleitungen (ja, die gibt‘s hier), den Bäumen und vor allem den Antennen haben sich Seidenschwänze gesammelt, die wohl meinen, bei diesem windigen Herbstwetter könne man auch gut ein Stückchen gen Süden fliegen. Ich kann es ihnen nicht übel nehmen, denn es ist trüb und bei dem Wind fühlen sich auch 10 °C ganz schön ungemütlich an.

2. Der Wasserhahn

Ach ist das toll, wenn Leute einfach so Sachen reparieren können. Thomas ist gestern Abend gekommen und ist drei Tage hier, um Dinge in Ordnung zu bringen. Und schon leckt der Wasserhahn nicht mehr, kann ich das Kellerlicht auch von oben anmachen, damit es auf der Treppe hell ist (Funk sei Dank), hat die Heizung im Gästezimmer einen Thermostat, steht die Badewanne wieder gerade und noch so manches mehr. Es ist ein tolles Gefühl, einfach Dinge auf meiner langen Im-Haus-Zu-Tun-Liste abhaken zu können. Und zugleich bekomme ich ein Schwedischintensivsprachtraining. Da ich aber heute einige Stunden mit Thomas unterwegs war, um alles einzukaufen, muss ich leider gleich noch ein bisschen arbeiten …

Öre ade

Schaut Euch das Foto gut an. Das sind schwedische 50-Öre-Münzen. Man könnte auch sagen: „Das war früher mal echtes Geld in Schweden“, denn genau diese Münzen sind seit dem ersten Oktober in Schweden nicht mehr gültig und die kleinste Münzeinheit ist jetzt eine Krone (zur Zeit so 10, 11 Cent). Ich habe den Eindruck, dass dies den Schweden ziemlich egal ist, da die Beträge beim Supermarkt eh mal auf- und mal abgerundet werden und außerdem fast alle mit Karte zahlen.

Keine Fotos.

Da knipse und knipse ich schon, was das Zeug hält, doch die interessanten Fotos fehlen dann doch immer:

Ich habe kein Foto davon, wie Thomas in meinem Haus Kabel für die elektrische Heizung verlegt, das Leck am Küchenwasserhahn durch Entfernen von einem Millimeter Dichtung repariert oder mit mir erfolglos durch Skellefteås Baumärkte läuft, um Verlängerungsschläuche für die Fallrohre zu kaufen.

Ich habe kein Foto davon, wie ich das erste Mal seit neun Jahren wieder Badminton gespielt habe. Das hat einen phantastisch–unbeschreiblich-riesigen Spaß gemacht und die Muskeln erinnern sich zwei Tage später noch sehr gut an das Spiel.

Ich habe kein Foto davon, wie ich gestern bei der Hochzeitsfeier von Kollegen zwei Stücke mit der Band gespielt habe („What are you doing the rest of your live“ und „Cantaloupe Island“).

Ich habe kein Foto davon, wie heute im Wald das firmeneigene iPhone 4 aus der Tasche gefallen ist und mit einem leisen Plopp in einem tiefen, dunklen Wassergraben wie ein Stein untergegangen ist. Nun – ich konnte es noch greifen, Wasser abschütteln, Kontakte trocken pusten und mit Klopapier trocken reiben. Zu meinem großen Glück hat das iPhone die Tauchaktion überlebt.

Ich habe dann versucht, ein Foto zu machen, wie ich unter den Strommasten mein Fahrrad einen vermeintlichen Weg entlang schiebe. Das ist auch ein Weg, aber eigentlich nur im Winter. Jetzt ist der Schlamm auf dem vermeintlichen Weg bis zu knietief und der eine Gummistiefel war schnell mit Wasser gefüllt. Das Foto hat aber nicht geklappt (kein Stativ dabei), also auch kein Foto.

Fast die ganze Woche war es sehr windig. Keine großen Sturmböen, nein einfach immer nur windig. Dementsprechend sind von den Birken an den Straßen die meisten Blätter schon abgeweht worden und die Bäume sind recht kahl. Besonders hübsch oder gar eindrucksvoll sieht das nicht aus, daher also auch hier: Kein Foto.

Ich werde aber spätestens am kommenden Freitag beginnen, das Fotografieren nachzuholen, dann habe ich nämlich eine Woche Urlaub und fahre nach Norwegen, erst nach Rognan/Saltdal und dann nach Stokmarknes auf den Vesterålen. Hm, wie sieht denn das Wetter aus …

… Ui, das wird aber kalt in Rognan für Mitte Oktober. Und kühler Regen in Stokmarknes, das gibt wieder jede Menge Gepäck. Aber das kenne ich ja schon.

Nachtrag

Nun, ich kann es einfach nicht lassen, doch noch ein paar Fotos von der heutigen Tour zum und im Naturreservat Kalkstenstjärn online zu stellen. Auch das mit dem Fahrrad schieben. Da:

Das erste Polarlicht

Das Polarlicht heute Abend kam völlig unerwartet. Am Abend wurde es wieder stürmisch und es regnete an die Fensterscheiben. Als das Thermometer bei 2.8 °C stand, wollte ich nur heraus schauen, ob sich schon die ersten Schneeflocken in den Regen mischen, aber nein, der Himmel war klar. Sternenklar. Und grünlich. Also schnell ins Haus gewetzt, Kamera geholt und eingestellt, Stativ und Fernauslöser geholt. Wo sind die Winterstiefel, in die man auch ohne Strümpfe schlüpfen kann? Im Keller. Warmen Parka angezogen und los.

Zuerst habe ich einige Fotos direkt in meinem Garten gemacht. Dann bin ich den Waldweg bis zu der einen freien Stelle gelaufen, an der allerdings Stromleitungen und -masten teilweise den Weg versperren. Außerdem muss man auf den Granitfelsen doch genau gucken, wo man hintritt. Die ideale Stelle ist also noch nicht gefunden.

Das Polarlicht hielt sich über eine Stunde. Am nördlichen Horizont leuchteten recht konstant ein, zwei grüne Bögen und nordwestlich ein rötlicher Streifen. Ein langer blassgrüner Streifen zog sich von West über den Zenith bis Ost, der sich aber trotz der fahlen Blässe ziemlich schnell bewegte. Auch sonst am Himmel waren überall blassgrüne Wolken und Gardinen zu sehen. So ein schönes Polarlicht habe ich Jahre nicht mehr gesehen, denn die letzten Jahre war durch die geringe Sonnenaktivität die Ausbeute eher mager.

Jetzt (gegen 1:00) lade ich noch ein paar Fotos* hoch und dann gehe ich ins Bett, denn morgen um halb sieben klingelt schon wieder der Wecker.

* Meine Einstellungen (Version 1.0): 10 Sekunden bei f2.8 und ISO 400-800. Manuelle Fokussierung.

Ein bisschen ärgere ich mich über die Fotos, denn beim Verrücken der Kamera habe ich mehrmals die Fokussierung verstellt und nur blasse Kleckse erhalten, außerdem ist die manuelle Scharfstellung bei Bäumen, die weniger als 10 Meter weit entfernt sind, im Dunkeln fast nicht zu machen. Entweder müsste ich im Hellen scharfstellen und mir den Wert merken oder die Bäume für den Autofokus hell anstrahlen. Nächstes Mal …

Ebenfalls nächstes Mal: Weitwinkel mitnehmen.

Und der erste Schnee

Allerdings nicht so richtig in Skelleftehamn.

Die Webcam von Skellefteå (Bild links) zeigt heute morgen Schnee in der Stadt. Und auch in Skelleftehamn haben sich heute Nacht die ersten Schneeflocken in den Regen gemischt (Bild rechts). Hier hat die nahe Ostsee allerdings auch ein Wörtchen mitzureden und es ist über Nacht genau das Quentchen wärmer geworden, dass es hier heute morgen nur wie aus Kübeln gießt und stürmisch ist. Von Schnee keine Spur mehr.

In Arvidsjaur, welches etwa 150 km weiter nordwestlich liegt, sieht das Ganze dagegen heute morgen schon ganz anders aus und auf dem Livebild der Webkamera sieht man auch, dass es dort heute morgen noch ordentlich schneit.

Quellen:
Webcam Skellefteå: http://85.194.140.112/cgi-bin/guestimage.html
Webcam Arvidsjaur: http://www1.arvidsjaur.se/kamera.html

Und der erste Schnee – Teil II

Fortsetzung von „Und der erste Schnee“.

Schon in Ursviken, etwa fünf Kilometer landeinwärts ging der Regen in Schneeregen und später in Skellefteå in nassen Schneefall über. Und dort sah auch alles schon ziemlich weiß aus und sehr, sehr nass. Und je flacher die Schuhe, desto schneller wird gelaufen.

Bis Mittag hat es stetig weiter geschneit, allerdings ohne dass wirklich mehr Schnee liegen geblieben ist. Abends, als ich auf dem Weg zum Bus war, fing es dann an, auf den Straßen zu frieren und glatt zu werden.

Man könnte fast sagen, dass sei ja fast wie deutscher Winter, ist es aber nicht. Zum einen fahren längst nicht so viele Autos, so dass der Schnee weiß bleibt, zum anderen mischt sich der Schnee auf dem Boden mit den knallbunten Herbstblättern. Abgesehen davon haben wir erst Mitte Oktober. Die folgenden Bilder stammen noch von heute morgen.

Schon morgen habe ich dann die Gelegenheit, viel mehr Schnee zu fotografieren, denn da beginnt mein Norwegenurlaub und in Skogly, meinem ersten Aufenthalt, lagen heute morgen 20 cm. Aber davon schreibe ich dann das nächste Mal …

Norwegenreise – Teil I

Anreise

Heute fahre ich mit dem Bus nach Norwegen. Ich finde es immer noch irre, dass es von Skellefteå eine direkte Busverbindung ins norwegische Bodø gibt. Da ich allerdings zum einen noch mit dem Bus von Skelleftehamn nach Skellefteå fahren muss und zum anderen am Vortag noch nichts gepackt habe, klingelte der Wecker um 5:30. Schluck! Ja, und wieder habe ich die dicke Reisetasche vollgekriegt und verlasse zum ersten Mal seit dem Kauf mein Haus in Skelleftehamn für länger. So, Fenster und Türen zu, Wasser ist abgestellt, Heizung nicht, dann kann es ja losgehen.

Um halb zehn bin ich am Busbahnhof in Skellefteå und warte auf den Silverexpressen, den Bus nach Norwegen. Die Straßen sind ziemlich glatt, von Schnee ist aber nicht mehr viel zu sehen. Das ändert sich allerdings schon nach vier Minuten Busfahrt: Es ist wieder alles weiß und auf einem kleinen Grashügel sieht man noch gut die Schlittenspuren vom Vortag.

Der Bus hat 28 Sitzplätze und mit mir sitzen noch neun weitere Personen auf den bequemen Sitzen. Die siebenstündige Fahrt nach Røkland kostet sage und schreibe 310 Kronen, das sind etwa 34 Euro. Je weiter wir ins Inland fahren, desto mehr Schnee liegt. In Jörn, einem der ersten Haltepunkte sind es schon 10 cm. Ich bin guter Laune, es ist einfach schön, Urlaubsanfang zu haben und eine wunderschöne Frühwinterlandschaft, über der sich ein blauer Himmel wölbt, an sich vorbeiziehen zu lassen. Und genug zu essen und trinken habe ich auch. Und ein iPhone mit vollem Akku und viel Musik. Perfekt.

Die nächsten Haltepunkte sind Arvidsjaur, wo wir eine zwanzigminütige Pause machen und Arjeplog, schön an einem großen See gelegen, dahinter schneebedeckte Berge . Ab hier sieht man immer wieder Rentiere: Im Wald, weit hinten am Fuß eines Berges oder auch direkt vor einem mitten auf der Straße. Die Ortsnamen sind jetzt schwedisch und samisch und der Busfahrer hält ab und zu an, um Post in knallrote Plastikbriefkästen an der Straße einzuwerfen. Gegen halb drei sind wir in Jäckvik (norwegisch Jäkkvik, samisch Jäggeluokkta). Hier haben wir eine gute halbe Stunde Pause und alle wechseln von dem schwedischen in den norwegischen Bus. Auch der norwegische Busfahrer ist gleichzeitig Postbote. Für einen Expressbus ist die Fahrt doch sehr geruhsam. Nach der schwedisch-norwegischen Grenze kommen wir bald immer mehr ins norwegische Fjäll, die Berge werden höher und schroffer, die Straßen steiler, die Landschaft rauher. Welch ein Kontrast zur bewaldeten und fast flachen schwedischen Ostseeküste: Hier gibt es neben Nadelbäumen hauptsächlich Fels und Schnee. Nur kurz vor Røkland ist lustigerweise noch eine kurze Etappe schneefrei – die erste seit sieben Stunden. Um viertel nach fünf steige ich in Røkland aus und werde von den Freunden abgeholt und wir fahren zu ihrem Haus nach Skogly hoch. Da wir hier 400 Meter höher als im Tal sind, liegen hier 30 cm Schnee. (Für alle, die das später lesen: wir haben Mitte Oktober!). Der Rest des Tages: Reden, Essen und früh in die Hütte ins Bett gehen.

Schneeschuhe

Am nächsten Tag habe ich ausgeschlafen und war erst um 8:15 wach. Am Vormittag habe ich mir dann einen Rucksack gepackt, Jacke, Mütze, Stiefel und Gamaschen angezogen und den einen Berg hochgelaufen. Nach zehn Minuten war ich aber wieder unten und habe mir Schneeschuhe geliehen. Bei 30 cm Pulverschnee war mir das sonst doch zu anstrengend. Schnell habe ich mir noch ein paar Sachen ausgezogen, denn mit 0 °C war es nicht wirklich kalt und bin langsam bergauf gestiegen. Der Birkenwald lichtet sich immer mehr, der Schnee wurde mit ±50 cm noch tiefer und nach einigen Foto- und Verschnaufpausen war ich dann über der Baumgrenze und hatte trotz grauen Wetters eine phantastische Aussicht auf das ganze Tal und den Gebirgszug gegenüber. Es fing langsam an zu schneien und meine knallgrüne Jacke war der einzige Farbtupfer in der kontrastlosen Schwarzweißlandschaft. Der Berg vor mit ging nahtlos in Wolke über und nur Steine und einige kahle Zweige gaben noch Kontrast. Hier war es auch windiger und so waren manche Flächen fast kahlgeweht und gut zu laufen, während drei Schritte weiter der Schnee sich in einer Senke gesammelt hat und man ohne Schneeschuhe bis zur Brust im Tiefschnee stand. Ohne Schneeschuhe wäre ich nie den Berg so weit hochgekommen. Der Rückweg war dann einfacher, denn mit Schneeschuhen kann man den Hang teilweise herrlich heruntergleiten und gegen drei war ich wieder am Haus der Freunde angelangt, wo zu meiner großen Freude ein Topf noch warmer Nudelsuppe auf dem Herd stand.

Die Tour hat einen riesigen Spaß gemacht und es war gut, dass ich sie an diesem Tag gemacht hatte, den am Abend wurde es schon wärmer und der Pulverschnee des Morgens hat sich in nassen Schneemannschnee verwandelt. Obwohl ich großer Winterfan bin, bin ich trotzdem nicht böse, dass zu Hause noch kein halber Meter Schnee liegt; das darf gerne noch ein paar Wochen warten. Meine Laune wurde dann noch besser, als mir klar war, dass ich nach dem Norwegenurlaub wieder mit dem Bus nach Hause fahren kann und nicht wie sonst immer mit dem Flugzeug zurück in die Großstadt muss. Toll!

Norwegenreise – Teil II – Hurtigruten

Am Montag sage ich Skogly ade und fahre mit dem Zug von Røkland nach Bodø. Dort habe ich vier Stunden Aufenthalt, ehe um 15:00 die Hurtigruten in Richtung Norden ablegt. Leider ist es grau und sehr regnerisch und so verbringe ich meine Zeit eher mit Warten als mit Stadt entdecken. Gegen halb drei betrete ich die Fähre und damit die Welt des Tourismus. Die Besatzung trägt Uniform. Ich frage auf norwegisch und bekomme Antwort auf deutsch. Die zehnstündige Fahrt nach Stokmarknes kostet mich 473 NOK, also etwa 58 Euro.

Die ersten zweieinhalb Stunden stehe ich auf dem Achterdeck oben auf der siebten Ebene und schaue erst zurück nach Bodø, auf nackte schwarzgraue Felsen – teilweise in den tiefen Wolken fast nicht mehr sichtbar – und auf schneebedeckte Berge weiter südlich am Horizont. Auf dem Westfjord fährt das Schiff dann über das offene Meer und das ist gut zappelig. Wenn ich zum Fotografieren die Seite wechsele, laufe ich mal auf- mal abwärts. Irgendwann habe ich dann auch alle Öffnungen am Segelparka dicht und die Kapuze fest verschnürt, da der Wind immer weiter zunimmt. Die Regenschauer machen die Sache auch nicht gerade gemütlicher, aber ich mag diese rauhe Stimmung. Und auch meine Kamera spielt mit.

Irgendwann wird es dann dunkel und ich gehe wieder rein. Dort finde ich den absoluten Kontrast vor: Das Schiff stampft zwar noch, aber Wind und Wetter sind ausgesperrt. Zwei alte Damen spielen Rummycub, einige amerikanische Touristinnen gehen die Gänge entlang und man hört deutsch. Sehr viel deutsch. Bis auf ein paar Norweger aus Bodø haben die meisten anderen die komplette Reise von Bergen nach Kirkenes gebucht. Während ich auf dem vierten Deck meinen Cheeseburger mit Pommes verspeise, schießt ein Brecher neben mir weit in die Höhe. Den hätte ich auf dem Oberdeck vermutlich voll abbekommen. Gutes Timing. Aber schon bald erreichen wir die Lofoten und sind damit wieder in ruhigeren Fahrwassern. Schade, dass man bis auf ein paar Lichter nichts sieht.

Der Rest der Fahrt wird dann leider ein bisschen langweilig. Es ist stockfinster und man sieht nur ab und zu ein paar Lichter. In Svolvær, der größten Stadt auf den Lofoten gehe ich von Bord, da wir eine Stunde Aufenthalt haben. Leider regnet es auch hier und ich gehe früh wieder an Bord. Inzwischen sieht man keinen Menschen mehr, alle sind von Bord gegangen oder in ihren Kabinen verschwunden. Einmal stehe ich noch an einem Fjordeingang am Vordeck, aber dort ist es so stürmisch, dass ich kaum einen Schritt vor den anderen setzen kann. Dabei ist es die ganze Zeit mit 10 °C überraschend warm.

Um eins komme ich dann endlich in Stokmarknes an, wo ich netterweise für die kleine Strecke zur Wohnung mit dem Auto abgeholt werde, denn auch hier regnet es. Angeblich soll die Temperatur in der Nacht um 10 Grad fallen und morgen soll es schneien, aber daran glaube ich noch nicht.

Nachtrag:

Ich habe ein paar Videoschnipsel bei Youtube hochgeladen, wie immer mit zweifelhafter Qualität aber für einen kleinen Eindruck vielleicht ganz nett.

Norwegenreise – Teil III – Vesterålen

Jetzt bin ich den vierten Tag auf Hadseløya, einer Insel, die zu den Vesterålen gehört. Heute ist es grau, es regnet und mit 2 °C ist es wärmer geworden. Auf den Straßen im Ort ist der Schnee weggetaut. Draußen im kleinen Park – mit Begeisterung auch im Graben – spielen die Kinder, die bei wirklich jedem Wetter draußen sind.

Die letzten Tage war ich viel draußen; entweder mit René wandern oder mit ihm und Julia fotografieren. Und eigentlich habe ich an jedem Punkt auf der Insel gedacht: „Hier ist es besonders schön“. Was mich vor allem fasziniert, ist die Vielfalt in der Landschaft: Von den meisten Punkten kann man das Meer sehen. Dahinter weitere Inseln. Manche haben eher vom Gletscher abgeschliffene Hügel, viele aber auch steile, schneebedeckte Berge, die erst kaum sichtbar und wolkenverhangen sind, um dann einige Minuten später warm und gelb von der tiefstehenden Sonne angestrahlt zu werden. Ein Teil der Küste ist von schroffen, kantigen Felsen geprägt, an anderen Stellen gibt es Buchten mit Sandstrand und türkisfarbenen Wasser. Überall wachsen Birken und auch Vogelbeeren, deren knallrote Beeren an den kahlen Ästen leuchten. Auch Hadseløya selbst hat runde Berge, die man einfach erwandern kann und schroffe Klippen, die nur für erfahrene Kletterer zu bewältigen sind. Und schöne Täler mit hunderten kleinen Bächen, in die man hinein wandern kann, bis man wieder von drei Seiten von der Bergwelt umgeben ist. Und bis gestern war alles von Schnee bedeckt und es hat auch immer wieder ein bisschen geschneit.

Liebe Schweden, seid mir nicht böse, aber das ist einfach eine der wunderbarsten Landschaften, die ich je gesehen habe. Zur Beruhigung: Das schwedische Fjäll kommt gleich danach.

Die Touren will ich hier gar nicht groß beschreiben, das würde den Artikel doch zu lang machen. Daher nur in Kurzform:

  • Tag 1: Eine schöne Wanderung in ein Tal, erst noch mit Weg, dann über moosbewachsene Felsblöcke und kleine gluckerne Bächlein. Pause an einem See.
  • Tag 2: An verschiedenen Stellen der Küste, hauptsächlich zum Fotografieren.
  • Tag 3: Herrliche Wanderung auf Storheia, den Hausberg und im großen Bogen zurück. Die Blicke mit den ständig wechselnden Lichtstimmungen: atemberaubend!
  • Plan für heute: Eher faul, Geschäfte angucken, noch mal ans Meer.

Zum Schluss möchte ich Euch einen Blick von Storheia nicht vorenthalten. Durch Bewegung mit der Maus über dem Bild könnt Ihr das Panorama nach links und rechts verschieben.

blick-von-storheia

Nachtrag:

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist es aufgeklart und es gab schwache Polarlichter. Das führte dazu, dass René und ich noch lange wach waren in der Hoffnung, dass die Polarlichter noch stärker werden. Leider vergebens. In der selben Nacht ist das Thermometer am Haus auf -7.8 °C gefallen, ein Wert, der auch für die Vesterålen im Oktober eher ungewöhnlich ist. Der kälteste Oktoberwert im letzten Jahr lag bei -3.0 °C.

Zwei Jubiläen

Genau heute vor sechs Monaten bin ich mit Sack und Pack in Skellefteå angekommen. Zeit, eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Den nötigen Abstand von 727 Straßenkilometern habe ich ja gerade. Morgen und übermorgen geht es mit Flugzeug und Bus wieder zurück nach Hause.

  • Die Menschen in Skellefteå und -hamn sind toll. Ich hätte nie und nimmer gedacht, so herzlich aufgenommen zu werden und so schnell Anschluss zu finden.
  • Die Arbeit macht mir Spaß und ist abwechslungsreicher als die in München. An manchen Tage finde ich Programmieren dennoch nervig, aber das hatte ich vorher in München ja auch.
  • Dass ich so schnell ein Haus kaufen würde, hätte ich nie gedacht. Leider hat der Schaden am Dach einige Zeit und Energie gekostet, die dann für andere Aktivitäten fehlte.
  • Zum Beispiel für das Sprache lernen. Ich fühle mich immer noch nicht wirklich heimisch im Schwedischen und die Suche nach einem Privatlehrer wird Chefsache in den nächsten Wochen.
  • Ich genieße es sehr, dass ich im kleinen Skelleftehamn wohne, aber die Stadt nicht weit weg ist. So bin ich in zwei Minuten im Wald, aber auch in sechs Minuten an der Bushaltestelle.
  • Es ist toll, wieder meinen Flügel zu haben und ich kann mir nicht vorstellen, noch einmal ohne den Flügel zu wohnen. Ein, zwei Musikkontakte habe ich auch schon.

Fazit: Der Schritt, nach Schweden zu gehen war genau richtig und es war gut, dass ich nicht länger damit gewartet habe. Ich fühle mich sehr wohl und glaube auch, dass ich großes Glück gehabt habe, gerade in Skellefteå/-hamn gelandet zu sein, auch wenn die Landschaft anderswo vielleicht noch schöner ist (oder im Winter noch mehr Schnee hat …). Aber da könnte ich dann nur alleine in meiner einsamen Hütte arbeiten (ginge ja theoretisch) und das kann ich mir auf Dauer überhaupt nicht vorstellen. Aber dort kann ich ja immer noch Urlaub machen …

P.S.: Ja – und warum zwei Jubiläen? Dies ist genau der hundertste Blog-Artikel, den ich in Nordwärts schreibe. Ich hätte nie gedacht, dass ich so produktiv/geschwätzig* sein würde. (* Nicht zutreffendes bitte streichen).

zu Hause

Minimum seit 15.10.: -6.2°. Heute 23:00: -2.9 °C. Schnee, aber nur stellenweise.

Ich bin wieder zu Hause. Gestern bin ich von Stokmarknes nach Bodø geflogen, habe dort im Vandrerhjem übernachtet und bin heute um 11 Uhr in den Bus zurück nach Skellefteå gestiegen. Der hat mich von der regnerischen Atlantikküste über das verschneite Fjäll an die nicht sehr verschneite Ostseeküste gebracht. Nach acht Stunden war ich in Skellefteå und eine Stunde später zu Hause.

Ich freue mich, dass ich die Norwegenreise gemacht habe. Wie schön die Landschaft dort ist, habe ich schon geschrieben, aber es war auch toll, entstehende Freundschaften vertiefen zu können. Danke an Susa und Sven, danke an Julia und René für Eure tolle Gastfreundschaft.

Und ein weiteres Gutes hatte die Reise: Ich bin zum ersten Mal in diesem Jahr wieder nach Hause gekommen.

  • Aber die Rückreise von schwedisch Lappland nach München im Februar?
    Nein, da wusste ich ja schon, dass ich nach Schweden ziehe. München war kein zu Hause mehr.
  • Und die Ankunft in Schweden im April?
    Nein, da war ich bei tollen Gastgebern, aber eben nicht zu Hause.
  • Im Juli nach München?
    Pustekuchen – die Wohnung aufgelöst habe ich.
  • Und dann Ende Juli ins eigene Haus?
    Ach, das war noch so ungewohnt, unbewohnt und noch so gar nicht richtig meines.

Aber jetzt: Ich bin von hier nach Norwegen gereist und wieder hier angekommen. Und fühle mich heimisch, und dass nicht nur, weil in meinem Haus Flügel, Badewanne und Waschmaschine stehen. Nur der Winter ist hier mit ± 2 cm Schnee ein bisschen zaghafter als im restlichen Västerbotten. Dazu ist die Ostsee noch zu warm, aber ehrlich gesagt, Olaf: Musst Du wirklich im Oktober schon tiefsten Winter haben? Das kommt doch noch früh genug, oder?

Das Photo links habe ich um 16:37 mit dem iPhone aus dem Bus geknipst. Wenn in einer Woche die Zeit umgestellt wird, geht die Sonne schon um 15:20 unter. Ich glaube, morgen kaufe ich Kerzen …

Oktoberwetter

Seit vier Tagen bin ich wieder zu Hause und das Wetter ist wechselhaft. Dienstag früh waren es noch -4.7 °C, am Abend dann vier Grad plus und es fing leicht an zu regnen. Der Regen hat gestern auch das Eis auf den Straßen getaut, nur die tieferen Pfützen waren am Boden noch mit glattem Eis bedeckt. Letzte Nacht und heute lagen die Temperaturen bei vier Grad plus und es war klar und trocken. Um so größer war meine Überraschung, dass die Straßen um 18 Uhr anfingen, wieder glatt zu werden. Die letzte Woche hat wohl den Boden so abgekühlt, dass die Feuchtigkeit auf den Straßen auch bei Plusgraden wieder gefriert.

Ich finde das einfach deshalb ein bisschen doof, weil ich noch keine Winterreifen für mein Fahrrad habe. Ja, auch für Räder gibt es hier Spikes und die werde ich mir nächste Woche kaufen, denn immer nur Bus fahren ist mir ein bisschen zu langweilig – selbst mit Buch – und mir fehlt die Bewegung.

Am Wochenende schreibe ich wieder und erzähle von meiner Hauseinweihungsparty, die morgen Abend stattfindet. Ich bin gespannt und auch ein bisschen aufgeregt. Das erste Mal richtig Gastgeber in Schweden für Schweden.

Hauseinweihung

Gestern war meine erste echte Einladung von in Schweden lebenden Schweden in Schweden. Ich hatte zum „Piano-Knytkalas“ eingeladen. Knytkalas bedeutet, dass jeder etwas zu essen (und zu trinken) mitbringt. Gleichzeitig war es aber auch Inflyttningsfest, also „Einzugsfest“ oder Hauseinweihung. Und ich war ganz schön nervös. Hoffentlich habe ich nichts vergessen und hoffentlich gefällt es allen bei mir. Zumindest alles zum Kaffee kochen hatte ich besorgt, denn ohne Kaffee geht in Schweden eigentlich gar nichts.

Was soll ich sagen – richtig schön war es! Ich hatte 26 Erwachsene (teilweise mit Kindern) eingeladen, gekommen sind dann zehn, da doch einige krank waren und andere bei einem Chick-Corea-Konzert in Umeå. Und ich glaube, dass es allen gefallen hat.

Viele der Eingeladenen sind sehr internetaffin und so gab es bei Twitter, Facebook und Gowalla einige Posts vor, während und nach dem Fest. (Nein, es gab keinen offiziellen Hashtag für den Abend, aber ich war kurz davor, einen auszurufen …). Das Foto links hat Paulina bei Gowalla online gestellt.

Nach dem sehr leckeren Essen habe ich Klavier gespielt. Erst alleine und dann mit Begleitung. Denn viele der Eingeladenen machen selber Musik und so gab es so manche Spontansession mit Klavier, Gitarre und Cajón und Per hat zum Schluss noch wunderschön „My Funny Valentine“ gesungen.

Gegen viertel nach sechs kamen die Gäste, und sechs Stunden später gingen die letzten drei nach Hause. Ja, gingen, denn sie wohnen alle in Skelleftehamn. In der letzten Stunde hatte ich leider keine Konzentration mehr und die brauche ich nach wie vor sehr, um dem Schwedischen zu folgen. Deswegen bin ich in Schweden immer noch wesentlich stiller als in Deutschland.

Nun liegt das erste wirklich freie Wochenende seit Ende August vor mir und das wird wohl ziemlich frei bleiben …

zum Wetter: In der Nacht hat es geschneit und die Straßen waren weiß. Heute morgen war aber schon alles wieder weggetaut. In Lappland, vor allem im Norden hingegen ist schon richtig Winter mit aktuellen Temperaturen von unter -10 °C und 30 cm Schnee, zu dem einiges noch hinzukommen wird. So gut mir Skelleftehamn gefällt; als Winterfan hätte ich lieber irgendwo dort meine Hütte.

Zeitumstellung

In Schweden hört am letzten Oktoberwochenende – genau wie in Deutschland – die Sommerzeit auf und die Uhren werden auf Normalzeit zurückgestellt. Heute hatten wir also dieses zweifelhafte Vergnügung der Zeitumstellung und jetzt ist es um vier Uhr nachmittags dunkel und jetzt – um fünf – stockfinster. Nun hoffe ich auf Schnee, denn der reflektiert doch so viel Stadtlicht, dass die Dunkelheit nicht mehr so absolut ist.

Heute war ich das erste Mal wieder mit dem Fahrrad unterwegs, denn alles Eis ist weggetaut. Allerdings sind die Wege jetzt alle ein bisschen matschig und das Fahrrad sieht aus wie Sau. Die Laubbäume sind schon lange kahl und die ganze Landschaft besteht nur noch aus verschiedenen Brauntönen, dem milchigen Weiß des Eises auf den sumpfigen Wiesen und dem dunklen Grün der Nadelbäume. Und über allem wölbte sich heute – ganz entgegen der Vorhersage – ein trüb-grauer Himmel. Spätherbstfarben. Nur das Torfmoos leuchtet, als habe es damit nichts zu tun.