Liebe Leser,
die, die mich kennen, wissen, dass ich seit Jahren skandinavienbegeistert bin. Die, die in den letzten sechs Wochen Kontakt zu mir hatten, wissen auch, dass ich im Laufe des Aprils nach Skellefteå in Nordschweden ziehen werde. Schon jetzt in der Vorbereitungszeit weiß ich manchmal nicht mehr, wem ich was berichtet habe und so habe mich entschlossen, ein Blog zu schreiben. So kann jeder lesen, was so passiert und – wenn er/sie möchte – die Einträge kommentieren.
Ich habe mich entschlossen, WordPress zu verwenden, da Artopod dieses Blog-System auch benutzt. Bei Artopod werde ich in einigen Wochen als Webprogrammierer anfangen. So lerne ich WordPress gleich schon mal kennen.
Ich habe mich auch entschlossen, nicht zu warten, bis ich ein tolles Design erstellt, dieses in xhtml/css perfekt umgesetzt und dann noch gleich den WordPress-Code aufgeräumt habe. Mir war es wichtiger, schnell etwas online zu haben und direkt Artikel veröffentlichen zu können. Die Fehler und Unschönheiten beseitige ich denn nach und nach. IE6-Benutzer werden vermutlich recht lange warten müssen, bis die Seite auch auf Ihrem verhaltensorginellen Webseitendarsteller halbwegs gut aussieht. Nennen wir das Ganze einfach „Web 2.0“, „agil“ und „beta“ …
Jetzt aber genug der Einleitungen. Ich erkläre hiermit das Blog „Nordwärts“ für eröffnet.
Viel Spaß,
Olaf Schneider
P.S.: Mein Dank geht an Jonas Persson von Artopod, dessen Template artopodplain ich als Grundlage genommen habe.
Wo bitte schön ist Skellefteå?
Skellefteå (sprich „chälefteoh“, merke „Shell – F – T – O“) ist eine Stadt in der Provinz Västerbottens län in Nordschweden und hat so um die 32000 Einwohner.
In Skellefteå gibt es ein großes Musikgeschäft, eine Stadtbibliothek, eine Skiabfahrt, ein Antiquariat, eine Musikschule mit 2000 Schülern, einen Apple-Laden, einen Jazzclub und vieles mehr, was man in einer deutschen Stadt dieser Größe eher selten finden wird.
Vor allem aber gibt es eine rege Internetszene in dieser Stadt. Als ich im Februar in Lappland war, habe ich gesehen, dass die Webagentur Artopod eine Stelle ausgeschrieben hat. Ich habe mich gleich daraufhin beworben und bin einige Tage für ein Kennenlerngespräch später mit Zug und Bus nach Skellefteå gefahren. Das Ergebnis: Ende April fange ich bei Artopod an zu arbeiten und freue mich schon riesig auf das kleine, nette Team und die schöne Bürogemeinschaft.
Natürlich muss man irgendwann auch mal einen Umzug planen, wenn man von Deutschland nach Schweden möchte, vor allem aber muss man mit der Meldebehörde, der Krankenkasse, der Gewerbebehörde, dem Finanzamt, der IHK und vielen anderen sprechen.
Das Tolle ist: Alle sind freundlich, kompetent und hilfsbereit. Das macht die Organisation doch recht einfach und entspannt. Das einzig störende ist, dass man sich in Deutschland nicht zu einem Zeitpunkt in der Zukunft abmelden kann. „Ich möchte mich zum 30. April in Deutschland abmelden“ gibt’s nicht. Schade eigentlich.
Vielen Dank schon einmal an die vielen Damen und Herren, die mir die Bürokratie doch recht leicht machen. Weiter so …
Jetzt warte ich noch auf eine schwedische Adresse, unter der ich erst einmal erreichbar bin, dann kommt die Abmeldung in Deutschland und die Anmeldung in Schweden dran.
… so heißt mein Arbeitsvertrag auf schwedisch, den ich heute zugemailt bekommen habe. Der ganze Vertrag ist kurz und knapp (zwei Seiten plus eine mit Erläuterungen), beschränkt sich auf das Wesentliche und ist in einfachem Schwedisch verfasst.
Wenn ich mir deutsche Verträge hingegen anschaue, dann frage ich mich, ob das Verfassen von verschachtelten Nebensätzen in deutschen Verträgen einen eigenen Berufszweig darstellt.
In diesem Fall geht der Punkt ganz klar an Schweden.
Unter https://blog.olafschneider.de/links/ habe ich angefangen, eine kleine Liste mit zum Blog passenden Links zu erstellen. Immer wenn ich etwas interessantes finde, werde ich sie entsprechend erweitern.
„Wie kommt man nach Skellefteå?“, das frage ich mich seit einigen Wochen. Mitfahrgelegenheiten auf dieser Strecke finde ich nicht – das wäre ja auch ein riesiger Zufall. Nun gut …
Ein nicht näher genannter Autovermieter bietet an, ein Auto in München zu leihen und in Skellefteå abzugeben. Die dabei anfallende Einweggebühr beträgt allerdings fast 2000 Euro. Nun gut …
Fliegen wäre eigentlich gar nicht so teuer. Für rund 300 Euro kann ich von München (MUC) nach Skellefteå (SFT) fliegen. Allerdings schlägt das Übergepäck, welches ich garantiert reichlich haben würde, mit 11 Euro pro Kilo zu Buche. Nun gut …
Heute bin ich mit dem Fahrrad zum Bahnhof Pasing geradelt. Die erste Überraschung im Reisezentrum erinnert schon sehr an Schweden: Man muss erst einmal eine Nummer ziehen. An Schalter 1 werde ich dann bei dem Stichwort „Schweden“ gleich an Schalter 4 weiter verwiesen. Dort überrascht mich dann der Bahnmitarbeiter mit einer Geschwindigkeit und einem Tarifwissen, wie ich es noch nie erlebt habe. In Sekundenschnelle füllt er Zahlencodes in die Suchmasken, gibt Zwischenbahnhöfe ein, sucht nach günstigen Alternativen und kann mir zum Schluss die Strecke München—Sundsvall für knapp 175 Euro anbieten. Mit Platzreservierungen und Liegewagen. Gekauft!
Zu Hause sehe ich im Netz, dass ich für die sechsstündige Busfahrt Sundsvall—Skellefteå noch umgerechnet etwa 36 Euro zahlen muss, also bin ich für gut 210 Euro dabei. Mit so viel Gepäck, wie ich tragen kann.
Bloß die Frage nach einer möglichen Fahrradmitnahme entlockte dem Tarifprofi nur ein müdes Lächeln, gefolgt von einem leichten Kopfschütteln. Man kann eben nicht alles haben …
Also, am Mittwoch, den 21. April steige ich um 9:15 in München in den ICE und wenn ich alle Anschlüsse bekomme, steige ich am nächsten Tag um 16:15 nach schlappen 31 Stunden Fahrt in Skellefteå aus der Buslinie 100 und bin da.
Und für alle, die es ganz genau wissen wollen:
München Hbf |
21.04. |
ab 09:15 |
Hamburg Hbf |
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an 14:54 |
Hamburg Hbf |
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ab 15:25 |
København H |
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an 20:11 |
København H |
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ab 21:03 |
Malmö Central |
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an 21:38 |
Malmö Central |
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ab 22:48 |
Stockholm Central |
22.04. |
an 05:56 |
Stockholm Central |
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ab 06:30 |
Sundsvall Central |
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an 09:52 |
Sundsvall Central |
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ab 10:05 |
Skellefteå busstation |
|
an 16:15 |
Zu den Dingen, die ich heute beim Ausmisten im Keller finde, gehören unter anderem:
- ein Kassettendeck
- ein Zauberwürfel, eine Zaubertonne, eine Zauberpyramide und so weiter …
- ein Brustbeutel aus Leder
- der Deckel für den Wasserkocher in der Küche
- viele Computerkabel (SCSI kennt Ihr vielleicht noch, aber Apples serielle Schnittstelle aus Vor-USB-Zeiten?)
- ein roter Metallfahrradkorb
- ungetragene Wollsocken
- Schnüre für Lenkdrachen
Alles schön und gut. Aber warum bitte finde ich so kleine Kästchen, in denen so etwas drin ist?:
Also, Ihr Ämter, Ihr verblüfft mich, wie einfach und schnell alles geht. Bei der Meldebehörde abmelden: zwei, drei Minuten. Reisepass abholen: zwei. Änderungen beim Gewerbe: so um die fünf Minuten. Nach siebzig Minuten war ich mit allem durch und da sind die 7,5 Radkilometer vom Bürgerbüro Pasing zum Kreisverwaltungsreferat schon enthalten.
Heute in einer Woche um diese Zeit wache ich wahrscheinlich gerade in meinem Zimmer in Skellefteå auf. Ja, ein Zimmer! Seit gestern weiß ich, wo ich unterkomme. Ein Freiberufler, der auch immer wieder für Artopod arbeitet, vermietet mir einen Raum in seiner Wohnung, und da kann ich die erste Zeit bleiben. Das gefällt mir viel besser als jedes Hotel und günstiger ist es bestimmt auch. Außerdem habe ich, wenn ich nicht alleine wohne, gleich ganz viel schwedische Sprache um mich herum.
Toll, dass sich Leif von Artopod so intensiv um die Unterkunft gekümmert und das Zimmer für mich gefunden hat. Er holt mich nächsten Donnerstag vom Bus ab und abends gehen wir dann mit dem Wohnungseigentümer essen, damit er und ich uns kennenlernen. Einen besseren Empfang kann ich mir nicht vorstellen. Hoffentlich bekomme ich nach 31 Stunden Bahn- und Busfahrt mehr als ein „Äh …“ über die Lippen.
Von der Wohnung zur Arbeit sind es etwa drei Kilometer; ich werde also sehen, dass ich mir möglichst schnell irgendwo her ein Fahrrad leihen kann. Denn meines bekomme ich beim besten Willen nicht in der Bahn transportiert.
Morgen Heute ist mein letzter Tag in München, bevor ich am Mittwoch morgen in den Zug nach Schweden steige. Und es gibt noch einiges zu tun. Das kommt davon, dass ich heute gestern eher faul war.
Ich denke aber, dass ich das morgen heute alles gut und stressfrei schaffe. Das Packen braucht wahrscheinlich die meiste Zeit. Weniger stressfrei wird wohl das Umsteigen mit Gepäck übermorgen, denn ich schätze, dass sich in den beiden Rollkoffern und der Reisetasche so um die 50 Kilo Sachen befinden. Und die Koffer und Tasche wiegen zusammen auch nochmal so um die sieben Kilo. Uffs!
Heute Gestern habe ich die letzten Bücherkartons im Keller gesichtet; unglaublich, was sich die Jahre über so angesammelt hat. Auch unglaublich, wie viele Bücher ich über die Jahre nicht vermisst habe. Da werde ich im Juli jede Menge an Oxfam abgeben, vorher aber – vielleicht schaffe ich es morgen heute noch – eine Liste hier einstellen, für alle, die sich vorher das eine oder andere Buch sichern wollen …
Es ist vollbracht, ich habe alles zusammengesucht. Nur der Computer darf noch ein wenig angeschlossen bleiben, bevor er morgen auch in Tasche oder Koffer wandert.
Laut amtlichen Endergebnis habe ich 54-55 Kilo Gepäck (zuzüglich Proviant) dabei, allerdings inklusive der Sachen, die ich anhabe. Da die beiden Koffer sich rollen lassen, sollte sich das morgen gut transportieren lassen. Bloß wenn ein Zug Verspätung hat und ich rennen muss, um den Anschluss zu bekommen, wird‘s ein bisschen sportlich.
Morgen werde ich von guten Freunden mit dem Auto abgeholt und treffe auch noch eine gute Freundin am Bahnhof, da freue ich mich doch sehr. Und dann beginnt die Reise.
Ich gebe zu, „Gepackt“ ist nicht der richtige Titel, immerhin liegt noch alles wild verstreut auf dem Bett herum, aber „Zusammengekramt“ ist jetzt auch nicht soo der tolle Titel für diesen Artikel. Und gleich verteile ich die Sachen dann auch auf Koffer und Tasche. Dann ist das Bett wieder leer und ich kann mich da hereinlegen. Prima!
Nachtrag:
Viertel nach eins: Jetzt ist auch bis auf das Laptop alles verpackt. Der eine Koffer ist mit 24 Kilo sackschwer. Gut, dass man den rollen kann. Die Tasche, die ich auf dem Rücken trage, hat aber dafür nur 12 Kilo. Geht schon … . Den Wecker stelle ich auf 5:45, dann habe ich morgen Ruhe und Zeit, noch mal durch die Regale zu schauen, ob ich wirklich alles Mitnehmenswerte mitgenommen habe.
Der heutige erste Anreisetag steht wohl unter dem Motto „Immer knapp und dann doch nicht“.
Freunde haben mich mit dem Auto abgeholt. Dann haben wir gelernt, wie viele Staus es morgens in München gibt, so dass ich schon Angst hatte, den Zug nicht zu bekommen. Hat dann aber doch noch geklappt.
In München sind auffallend viele Schweden in den Zug eingestiegen, die alle ihre Flüge nicht wahrnehmen konnten. Wir sind pünktlich abgefahren, doch in einem Tunnel kurz vor Göttingen hat es ein Problem mit einer Bremse gegeben, so dass wir 43 Minuten Verspätung hatten. Damit war schon mal klar, dass der Anschlusszug Hamburg—København weg ist, wenn er nicht wartet. Aber vielleicht wartet er ja, sind ja immerhin so um die hundert Schweden im Zug. Wartet aber nicht. Ich will jetzt nicht alles im Detail aufzählen, also die Kurzfassung:
In Hamburg: warten auf …
… einen eingesetzten Bus Hamburg—Puttgarden. Nette Leute, meine ersten Worte Schwedisch.
In Puttgarden warten auf …
… die Fähre Puttgarden—Rödby. Nette Leute, meine zweiten Worte Schwedisch. Und Englisch.
In Rödby warten auf …
… irgendeinen Zug. Der fährt dann sogar nach København. Nette Leute, Englisch.
In København fährt dann auch direkt ein Zug nach Malmö. Und dieser Zug kommt fünf Minuten später an als mein Nachtzug nach Stockholm abfährt.
Die nette Zugbegleiterin versucht noch den Zug telefonisch zum Warten zu überreden. Vielleicht wartet er ja, sind ja immerhin nur fünf Minuten. Wartet aber nicht. Also sitze ich in Malmö fest.
Nachdem das erste Hotel 2500 SEK haben wollte, sitze ich jetzt in einem netten Einbettzimmer mit WLAN für 1000 SEK. Ich habe ohnehin nur ein paar Stunden Schlaf vor mir, denn morgen geht es um 5:11 nach Stockholm weiter. Und wenn alles gut geht, bin ich morgen um 20:15 in Skellefteå.
Mal schauen, was der zweite Anreisetag so bringt.
„Umeå 67 km“ sagt das Schild am Straßenrand.
Also wenn ich schon die einmalige Gelegenheit habe, im Bus nach Umeå kostenloses WLAN zu haben, dann schreibe ich auch mal, wie es weiter gegangen ist.
Um 4:20 hat mich der Wecker aus dem Schlaf geklingelt. Ich habe mich angezogen, meine Sachen zusammengepackt und bin zum Bahnhof gelaufen, der zum Glück gleich um die Ecke ist.
Nach Stockholm wollte ich ja eigentlich mit dem Nachtzug und hatte eine Fahrkarte mit Zugbindung. Als die Zugbegleiterin aber Teile meiner Reisestory gehört hat, hat sie direkt einen Haken gemacht und die Fahrkarte für gültig erklärt.
Aber fast schäme ich mich, die Fahrt aus München als lang zu bezeichnen. Eine Familie mit zwei kleinen Jungen wollte nach Uddevalla nördlich von Göteborg, sie kamen aus Rom. Hinter mir im Bus sitzt gerade eine Frau mit Tochter, die schon Tage aus London unterwegs sind und nach Hause wollen. Das ist irgendwo in Nordnorwegen zwischen Narvik und Tromsø. Da hab ich es doch eigentlich ziemlich gut.
In Stockholm habe ich meine Vorräte aufgefüllt, eine neue Fahrkarte abgeholt (ging problemlos) und auf den Zug nach Sundsvall gewartet. Nach einigen Malen Umsetzen habe ich auch Platz gefunden, obwohl der Zug ausgebucht war. Glück gehabt. Allerdings gab es eine Signalstörung und dann haben wir den Rest der Strecke sämtliche Gegenzüge durchgelassen und sind so mit 30 Minuten Verspätung in Sundsvall angekommen. Und ratet Mal, wer schon weg war. Richtig, der Bus 100 nach Skellefteå.
Aber es stand schon ein Ersatzbus nach Umeå bereit und mit ein bisschen Glück erreiche ich sogar noch die Buslinie 100 in Umeå und komme nach Plan 2 um viertel nach acht in Skellefteå an. Zwischendurch haben wir noch einen fliegenden Wechsel in einen anderen Bus gemacht, so dass ich verkürzt schreiben kann:
München | Auto · Zug · Bus · Fähre · Zug · Zug · Hotel · Zug · Zug · Bus · Bus · Bus | Skellefteå
Drückt mir die Daumen, dass es so bleibt.
Fotos und Reiseeindrücke gibt‘s später. Jetzt will ich erst einmal nur noch ankommen.
OK, ich mache es kurz. Ich bin angekommen. Ich bin angekommen. Angekommen. Ich bin angekommen. Angekommen!
Der Umstieg in Umeå ging problemlos und ich brauchte nur noch zwei Stunden Landschaft an mir vorbeiziehen lassen, eh ich in Skellefteå am Busbahnhof ausgestiegen bin. Nach neun Mal Umsteigen. Leif von Artopod hat mich abgeholt und wir haben zu sechst Abendbrot gegessen: Drei Artopodler, Meine Gastgeber und ich.
Hat das gut getan zu sitzen und etwas zu essen, was weder Keks, noch Brot, noch Schokolade ist. Bloß zum Englisch reden war ich fast zu müde und dabei sind alle so nett. Aber egal, ich bin ja erst einmal hier; war ja nicht das letzte Gespräch.
Jetzt sitze ich in einem schönen Zimmer* noch kurz am Computer und lasse meine Haare trocknen (Dusche, nicht Regen) und falle dann ins Bett.
*Schönes Zimmer = Nette Gastgeber × ( WLAN + Wald hinterm Haus + großes Bett + Ruhe + …)
Morgen mehr.
Zu Fuß sind es etwa drei Kilometer von meinem Zimmer in die Stadt. Keine Entfernung, wenn die Sonne aus einem strahlend blauen Himmel scheint und ich ziehe ganz schnell meine Jacke aus, weil es so warm ist. Beim Weg in die Stadt bin ich kurz beim ICA eingebogen um ein bisschen Frühstück zu kaufen. Danach bin ich am Skellefteälven ins Zentrum gelaufen. Der Fluss war im Februar noch komplett zugefroren. Nun fließt Wasser, die Krokusse blühen, Schmetterlinge flattern umher – der Frühling ist da.
In der Stadt war ich im Buchladen, um Karten von der Umgebung zu kaufen. Einen Stadtplan hat es auch gegeben. Dann war ich lange im überraschend großen Antiquariat, wo ich tatsächlich „Bilbo, en Hobbits äventyr“ gefunden habe. Das Buch hatte ich im Urlaub im Februar geliehen und kann es jetzt zu Ende lesen. Um halb zwei war ich bei Artopod und wir haben ein paar erste Dinge geklärt. Ein MacBook Pro steht schon bereit, die (deutsche) Tastatur bringe ich mit und als Telefon bekomme ich wohl ein Android. Mein erstes Projekt kenne ich auch schon ein bisschen. Gut die Hälfte haben wir schon auf Schwedisch gesprochen und wenn ich mich sehr konzentriere, verstehe ich doch so einiges. Das hat sich dann allerdings bei der Fika – der schwedischen Kaffeepause – geändert, als zehn Kollegen aus der Bürogemeinschaft munter durcheinander geplaudert haben. Das wird noch ein Weilchen brauchen, bis ich da mitkomme, aber ich bin ja froh, dass nicht die ganze Zeit englisch geredet wird und ich so die Sprache lernen kann.
Danach war ich beim Skatteverket wo ich als erstes natürlich eine Wartenummer gezogen habe. Dann musste ich aber nur einige Minuten warten, um dann auf Anders zu treffen, der für mich die Formulare ausgefüllt hat, die ich brauche, damit ich eine Personennummer bekomme. Und die bekomme ich wohl in so zwei, drei Wochen.
Die Personennummer ist entscheidend, um irgendwelche Verträge abzuschließen. Ob Telefon, Bankkonto, Miete oder was auch immer, man braucht seine Personennummer. Und da ich die auch für die SFI-Kurse (Svenska för invandrare = Schwedisch für Einwanderer) brauche, freue ich mich, wenn sie bald da ist.
Ich bin langsam zurück geschlendert und habe mich erst einmal eine Stunde hingelegt. Danach war ich noch zwei Stunden die Umgebung erkunden und habe meine Schneeschuhe vermisst. In den Wäldern liegen nämlich noch gut 40 cm fester Altschnee und bei jedem dritten Schritt bricht man durch, manchmal bis weit übers Knie. Für die wunderschöne Landschaft, die sich hier gleich hinter dem Haus anschließt, hat sich der anstrengende Gang aber gelohnt. Allerdings kann es im Moor schon ganz schön nass sein …
Nach einem ausgiebigen Frühstück – nennen wir es einfach Brunch – mit Spiegelei und Speck, gegrillten Tomaten, einer Art Eier-Käse-Auflauf und einem herrlichen grünen Tee haben Lasse, Martine und ich einen Ausflug mit dem Auto gemacht. Erst waren wir in Skelleftehamn, dem vorgelagerten Hafenstädtchen, welches 17 km weit entfernt an der Ostsee liegt. Teilweise ist das Meer schon eisfrei, an manchen Stellen ist es aber auch noch komplett mit Eis bedeckt. Dieses sieht aber schon ganz schön dünn aus, lange wird es nicht mehr dauern, bis das Eis weg ist.
Danach sind wir 4 Meilen südwärts nach Bjuröklubb gefahren, eine weit in die Ostsee ragenden Landzunge, auf der man fast bis nach Finnland herüberschauen kann. Die einzigen, die wir getroffen haben, waren ein Pärchen, welches vor dem Leuchtturmhäuschen eine Pause von ihrer Skitour(!) machte, ein sehr schneller Jogger und fünf Seidenschwänze, die in den Birken herum hüpften.
Abends gab es dann Surströmming, ein Gericht, bei dem sich wohl auch die Schweden streiten, ob es eine Delikatesse oder ungenießbar ist. Surströmming besteht im Grunde aus vergorenem Hering und das herausragende Merkmal ist der extreme Geruch, den dieser verbreitet. Deswegen macht man die Dose auch draußen auf. Aus dem Hering werden dann die Innereien heraus gedrückt und die Gräten entfernt. Das, was dann noch übrig geblieben ist, isst man mit Tunnbröd, zerstampften Kartoffeln, Zwiebeln, Sauerrahm und Dill als Sandwich. Dazu gibt es Bier und Schnaps. Letzterer wird mit Helan går, einem Trinklied begleitet. Surströmming werde ich jetzt nicht jede Woche begeistert essen, aber das ganze schmeckte wesentlich besser, als die vielen Horrorstories vermuten ließen.
Heute vor einer Woche war ich noch in Deutschland und stand kurz vor der Abreise. Ich habe den Eindruck, als sei das schon Ewigkeiten hier. Dabei ist hier alles noch neu für mich:
Die unterschiedlichen Wege von meinem Zimmer zur Agentur, das neue Android-Handy, welches ich von Artopod bekommen habe, der Bibliotheksausweis für die große, zweigeschossige Stadtbücherei und natürlich lange noch die Sprache. Und nachdem ich vorgestern an meinem ersten Arbeitstag wie immer den ganzen Tag lang installiert und Zugänge eingerichtet habe, war es richtig schön, gestern die ersten Umsetzungen zu machen. Ich bin immer froh, wenn diese ganzen Vorbereitungen vorbei sind und ich einfach was machen kann.
Skellefteå zeigt gerade, dass es weiß, wie Frühling geht. Der Schnee schmilzt rapide, Krokusse, Narzissen und Zilla blühen, die Sonne scheint und wenn es nicht gerade windig ist, ist es auch warm. Nächstes Wochenende kann ich wahrscheinlich im Wald wandern, ohne bis zu den Knien im Altschnee zu stecken. Man sieht aber auch die Schäden: Hier eine zerstörte Holzbrücke, dort ein Vordach, welches unter den Schneemassen zusammengebrochen ist. Die Wiesen sind noch patschnass, aber im Zentrum ist bis auf ein paar dunkelgraue Schneehaufen vom Winter nichts mehr zu sehen. Auch schön!
Am Dienstag waren Leute von Norran, der lokalen Zeitung Skellefteås da, um mich zu interviewen und zu fotografieren. Sie finden es wohl interessant, dass ein Deutscher nach Skellefteå kommt, um hier zu arbeiten. Nach einem kurzen Interview hat der Journalist dann beschlossen, heute mit mehr Zeit noch einmal wiederzukommen.
Mehr Zeit heißt zum einen ein kurzes Fotoshooting am Vormittag bei bestem Wetter, erst vor einem der Holzhäuser in der Bonnstan, dann auf der Lejonströmsbron, der ältesten Holzbrücke Schwedens, die 1737 erbaut wurde. Ich muss zugeben, dass ich schon ein bisschen zusammenzucke, wenn der Fotograf keine Verschlusskappen auf den Objektiven hat und die Linsen mit dem T-Shirt sauber reibt.
Mehr Zeit heißt zum anderen dann ein neunzigminütiges Interview auf Englisch nach der Arbeit. Ich frage mich, was der junge Journalist mit den vielen Seiten Notizen anfangen will. Leider wird durch den intensiven Kontakt mit der schwedischen Sprache mein Schwedisch nicht besser, wohl aber mein Englisch schlechter. Aber ich werde bestimmt bald lesen können, was ich gesagt habe.