Steife Brise auf dem Meer
Heute habe ich zu Hause gearbeitet. Das war zumindest der Plan. Das Wetter war ein bisschen eigenartig: Blauer Himmel und Sonne und ein paar Plusgrade, aber sehr windig. Nicht umsonst hat der Wetterdienst vor Windböen bis 21 m/s gewarnt – das ist Windstärke 9: Sturm. Also habe ich meine Arbeit kurz unterbrochen, um an der Lotsenstation Wellen zu fotografieren, auch wenn die bei Westwind wahrscheinlich nicht sehr eindrucksvoll sind.
Da stehe ich dann auf der kleinen Pier und versuche Gischt zu fotografieren. Erst zu Hause werde ich sehen, dass der Wind nicht nur Wasser, sondern auch Eisstückchen durch die Luft bläst. Da kommt ein Mann mit dem Auto angefahren, sieht mich und beginnt mir sofort, Zeichen zu geben und zu gestikulieren.
Mein erster Gedanke ist, dass er mich von der Pier scheuchen will, weil das (a) streng verboten, (b) seiner Meinung nach total gefährlich ist. Der zweite Gedanke: Erst mal fragen, worum es geht. Ja hej, sagt der Mann, ich wäre wohl am Fotografieren interessiert. Ob ich nicht mit dem Lotsenboot mitfahren wollte, welches gleich anlegt. Er arbeitet als Lotse, hat aber gerade frei.
Mein erster Gedanke ist, ich muss doch arbeiten. Der zweite Gedanke: Das kann ich auch später am Tag. Also habe ich ja gesagt. Der Lotse macht kurz alles klar und in einer halben Stunde, wenn das Lotsenboot Pilot 761 ablegt, darf ich mitfahren.
Ich bin kurz nach Hause gefahren, habe bei der Arbeit Bescheid gesagt, kurz was gegessen und getrunken und war zwanzig Minuten später wieder an der Pier. Die Pilot 761 nicht. Überall auf dem Wasser suche ich das kleine knallrote Schiff. Das kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Doch die Pilot 761 ist verschwunden und ich mache noch ein paar weitere Gischtfotos.
Da kommt aus der letzten Ecke der Bucht ein kleiner roter Fleck, kommt näher und näher und landet tatsächlich an der Pier an, um mich mit an Bord zu nehmen, wo ich auf einem der drei vorderen Plätze sitzen darf. Und los geht die Fahrt. Bald liegt Gåsören backbord voraus.
Ich bin verwundert, wie ruhig die Fahrt doch trotz der Sturmböen ist, aber der Wind liegt uns im Rücken und das Schiff rollt nur ein bisschen nach links und rechts.
Das ändert sich, als wir auf offener See auf das Schiff Sunnanhav warten. Es liegt noch an der Kai Rönnskärs und wird drei Lotsen mit an Bord nehmen. Diese sollen wir dann vom Schiff abholen und wieder zurückbringen. Wir wenden und kaum fahren wir gegen den Wind, beginnt das Schiff zu stampfen und große Ladungen Ostseewasser werden gegen die Frontscheiben geschleudert.
Kurze Zeit später kommt die Sunnanhav in Sicht, die wir direkt ansteuern. Das Beidrehen, Anlegen und Lotsen an Bord nehmen geht so schnell, dass ich kaum dazu komme, das Schiff zu fotografieren.
Jetzt fahren wir wieder zurück in die Bucht nach Skelleftehamn. Ich finde es extrem schwierig, die Bewegung und die Gischt in ein stilles Foto einzufangen und habe deswegen ein kleines Video mit dem iPhone gemacht:
Eher zufällig habe ich direkt hintereinander zwei sehr unterschiedliche Fotos gemacht, die ich beide sehr mag, auch wenn vor allem das zweite technisch ziemlich daneben ist.
Wir steuern erst den Hafen Rönnskärs an, wo ein Lotse von Bord geht. Direkt vor uns liegt die norwegische Rystraum. Einmal schnell über die Bucht und die beiden anderen Lotsen und ich springen von Bord.
Heute habe ich zu Hause gearbeitet. Das war zumindest der Plan. Pläne darf man ändern und nun muss ich bloß am Sonntag ein bisschen nacharbeiten. Aber das war es wert.
3 Kommentare für „Steife Brise auf dem Meer“
Ricarda schreibt:
Na solch eine Gelegenheit hätt ich mir auch nicht entgehen lassen !
Ganz klar, daß man da alles liegen und stehen lässt – wann darf man denn schon mal mit einem Lotsenboot mitfahren ?
Bin auch ehrlich gesagt etwas neidisch…..und freu mich für Dich, daß Du die Möglichkeit dazu hattest !
Wünsch Dir noch einen wunderschönen Sonntag !
Sandra schreibt:
Ein tolles Abenteuer! So würd ich mir auch einen Arbeitstag gefallen lassen ;-) Sicher liegt das an der irren Bevölkerungsdichte im Norden, daß dir das passiert ist, denk ich mir mal. Das ist schön, wenn die Leute so aufgeschlossen sind.
Olaf Schneider schreibt:
Das ist schon toll, wenn man solche Gelegenheiten hat und auch wahrnehmen kann. Mein Problem ist nur, dass mein schlechtes Gewissen langsam wächst, denn auf dem Job habe ich ziemlich viel zu tun und das muss ich ja auch irgendwann abarbeiten. Und trotzdem werde ich morgen nach einem Tag Urlaub fragen, denn am Freitag beginnt die Winterschwimmweltmeisterschaft in Rovaniemi, und da wollen wir mit Dark & Cold zusammen hin.