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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Olaf Vereinsmeier

Bis jetzt stand ich jedem Vereinsleben mehr als skeptisch gegenüber. Ich habe damit immer Kneipenhinterzimmer mit Wimpel, Satzungsstreitigkeiten und tiefstes Spießbürgertum verbunden. In einer Jazzinitiative, in der ich mal Mitglied war, wurden überraschend viele dieser Klischees bestätigt und ich habe mir damals vorgenommen, mich von jeder Gruppe, die ein e. V. im Namen trägt fernzuhalten.

Nun bin ich zwei Jahre in Schweden. Und seit kurzem aktives Mitglied in 2 (in Worten: zwei) Vereinen!

Letzten Monat wurde ich in den exklusiven Club „Mores“ aufgenommen, einem Diskussionsclub in Skellefteå, der 1948 gegründet wurde und der nie mehr als 24 Mitglieder hat. Ich musste ein Jahr lang warten, ehe ich eines Abends feierlich aufgenommen wurde. Jeden Monat trifft man sich, um erst gemeinsam Abend zu essen und dann zu einem bestimmten Thema zu diskutieren. Die Diskussion ist recht förmlich, denn wenn man etwas sagen möchte, so meldet man sich und wird dann auf die Rednerliste gesetzt. Für mich hat das den Vorteil, dass einer nach dem anderen spricht und ich daher praktisch alles verstehe, zumal sich alle bemühen, sorgfältig zu sprechen.

Gestern Abend war die Jahreshauptversammlung von „Föreningen för Mörkrets och Kylans Glada Vänner“, dem Verein der frohen Freunde von Dunkelheit und Kälte, in dem ich seit gestern Vorstandsmitglied bin. (Kein Kunststück, denn so viele sind wir zur Zeit nicht). Die formellen Punkte – auch in Schweden gibt es ein Vereinsrecht – wurden schnell abgehandelt und dann haben wir unsere Aktivitäten geplant. Und es ist nicht wenig, was wir uns vorgenommen haben: Neben einer weiteren Winterschwimmmeisterschaft im Februar 2013 wollen wir die Melankoliade ausrichten, eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen, die mit Norden, Melancholie, Dunkelheit und Kälte zu tun haben. Jarkko meinte dazu einmal, dass wir keine „Stand-up comedy“ zeigen, sondern „Sit-down tragedy“.

Früher war mehr als jeder zweite Schwede Mitglied in einem Verein. Viele soziale Kontakte liefen über das Vereinsleben und die „Fika“-Szene in dem schönen Film „Wie im Himmel“ könnte überall so stattfinden. Seit längerer Zeit sinken allerdings die Mitgliederzahlen in vielen Vereinen rapide.


So manches Ich-Wandere-Nach-Schweden-Aus-Buch stellt die Schweden so dar, als ob sie persönliche Gespräche nur im engsten Familienkreis und mit einigen jahrhundertealten Kindergartenfreunden führen und Vereine bräuchten, um überhaupt soziale Kontakte, die über ein „Hej“ beim Einkaufen hinausgehen zu haben. Zum Glück stellt sich zumindest für mich die Realität völlig anders dar. Ich finde es genauso leicht wie in München, Kontakte zu bekommen, Freunde zu finden und Freundschaften zu pflegen. Ebenso wie in Deutschland werden hier verstärkt SMS, Mail und vor allem Facebook für Einladungen und zur Kommunikation benutzt, ohne jedoch Treffen im wirklichen Leben zu ersetzen. Und so sind die Vereine wohl nur noch ihrer Aktivitäten wegen wichtig und nicht so sehr der allgemeinen Sozialkontakte wegen.

2 Kommentare für „Olaf Vereinsmeier“

Annika schreibt:

Hej Olaf!
Da habe ich gerade meinen Artikel über neue Freunde in Schweden veröffentlicht und dann stoße ich bei meiner abendlichen „Runde um den Blog“ auf Deinen Artikel…
Ich stimme insofern zu, dass Vereine nicht zwingend notwendig sind um neue Freunde zu finden. Aber sie erleichtern es, ebenso wie ein Job. Mit dem Unterschied, dass Arbeitskollegen im Zweifelsfall auch eine Zwangsehe darstellen können. Und eine größere Zahl Menschen mit potentiell ähnlichen Interessen trifft man schon am leichtesten in einer (wie auch immer gearteten) Interessensvereinigung. Von daher finde ich den Hinweis in der einschlägigen Literatur durchaus angebracht. – Allerdings: wenn man erst ein Buch braucht, um auf die Idee zu kommen, auf diesem Weg Menschen kennenzulernen, sollte man vielleicht nicht auswandern…
Herzliche Grüße aus dem Süden, Annika

Olaf Schneider schreibt:

Hej Annika,

Du hast recht, Vereine können einem helfen, Kontakte zu bekommen und Freunde zu finden. Mir ging es bloß ein bisschen gegen den Strich, dass es zumindest in einem Buch so dargestellt wurde, als sei dies in Schweden der einzige Weg für Ausländer.

P.S.: Notenstapel-Nirvana ist schon jetzt mein Lieblingswort der Woche. Das kenne ich nämlich auch. Und auch mein Flügel ist von seiner letzten Stimmung schon wieder recht weit entfernt …