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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Ein herrlicher Wintertag

So mag ich das. Am Freitag klart es auf und es wird kälter. Der Samstag präsentiert sich dann in herrlichster Winterlaune: Das Thermometer zeigt -24 °C ¹, es ist windstill und über Skelleftehamn spannt sich ein klarer, blauer Winterhimmel. Um zehn vor neun sind meine üblichen Dinge im Rucksack verstaut und ich breche auf. Im und am Rucksack befinden sich neben Kleinkrams:

  • Mein Fotoapparat. Ersatzakkus sind in der Hosentasche
  • Erste Hilfe und Biwaksack. Zum Nichtbenutzen
  • Tee aus frischem Ingwer und Proviant
  • Ein Fotostativ
  • Meine Isdubbar
  • Heute mal ein GPS zum Weg mittracken
  • Karte und Kompaß. Benutze ich aber fast nie
  • Ersatzhandschuhe und -socken
  • Ein kleines Thermometer
  • Eine warme Daunenjacke (heute nicht gebraucht)

Im Wald sitzt ein Baum voller runder Vögel. Ich könnte ein Foto machen. Aber zum einen habe ich kein Tele dabei, zum anderen zieht es mich auf die Ostsee. Also laufe ich weiter und die Vögel fliegen auf. Bald bin ich schon am Ostseeufer und laufe quer über das Eis zur Insel Klubben, von da aus weiter nach Flottgrundet, ein bisschen weiter nach Gråsidan, dort nach einer kleinen Teepause am gesamten Nordostufer entlang und dann wieder auf dem Rückweg nach Bredskär.

Wie immer begeistert mich das Licht auf der Ostsee und die schneebedeckten Flächen, in die der Wind verschiedene Strukturen und Texturen hinein geblasen hat. Dieses Mal komme ich aber auch in Gebiete, wo die Inseln von bis zu zwei Meter hohen Eisformationen umgeben sind. An manchen Stellen haben sich kleine Tropfsteinhöhlen gebildet. Ich komme mir vor wie einer Ausstellung mit sorgfältig von der Natur geformten Skulpturen. Am Ufer von Gråsidan hat man Blick auf das zusammengefrorene Packeis und später auf weitere Eisformationen. Es erfordert einiges an Disziplin, nicht jede einzelne Skulptur, jeden Eiszapfen und jeden Felsen fotografisch zu kartografieren, sondern sich in der Motivanzahl zu beschränken. Nachdem ich zu Hause aber gerade fast 30 Gigabyte überflüssiger Fotos auf dem Rechner gelöscht habe, gelingt mir das recht gut. Zumal ich weiß, dass mir manche Motive auch nicht wegrennen.

Auf Bredskär passiert es dann! Ich sehe einen anderen Skiläufer! Und ich dachte schon, dass ich der einzige bin, der bei jedem Wetter in der Natur unterwegs ist. Wir sind wohl beide neugierig und steuern aufeinander zu. Ich treffe auf einen Lehrer, der weiter draußen auf der See Blankeis suchen möchte, damit er dort Schlittschuh laufen kann. Nach fünf Minuten Gespräch lädt er mich schon im Sommer zu einer gemeinsamen Kajaktour ein, er hat zwei Seekayaks. Wir laufen dann gemeinsam einen guten Kilometer auf das offene Meer hinaus und man sieht nur Eis, Eis, Eis. Blankes Eis finden wir allerdings nicht und wir kehren um. Ich habe echte Mühe, Schritt zu halten, denn der Lehrer hat eine extrem gute Kondition, ist ziemlich schnell in diesem Gelände und benutzt dabei noch nicht einmal die Stöcke. Wie macht der das?

Bei einer Kaffeeeinlandung in sein Haus wird es mir klarer: Zum einen ist das Haus voller Sportgeräte und Outdoorausrüstung, zum anderen erzählt er von den vielen Touren, die er schon gemacht hat. Ich komme mir ziemlich unsportlich vor, freue mich aber riesig, dass es hier Gleichgesinnte gibt und dass man sie auch trifft. Und vielleicht ergibt sich ja wirklich mal etwas. Ich bin mir nämlich nicht immer so sicher, wie schnell man Einladungen zu einer eventuellen Kajaktour hier in Nordschweden auch annehmen darf.

Zu Hause ziehe ich mir erst einmal trockene Sachen an und hänge den Rest der Kleidung zum Trocknen auf. Heute hatte ich an:

  • Woll-Funktionsunterwäsche von Aklima. Genial! Das Oberteil hat eine Sturmhaube als Kapuze
  • Pullover aus Powerstretch-Fleece. Anfangs zu warm, später war ich froh, ihn anzuhaben
  • Dünne winddichte Mikrofaserjacke mit Kapuze und Fellrand. Hat man die Kapuze auf, vereist sie. Sonst vereisen Haare, Nase und Wimpern
  • Ein Schlauchschal (Buff) vor dem Mund
  • Zweilagige Fingerhandschuhe. Heute gerade noch warm genug. Nächstes Mal Fäustlinge
  • Eine x-beliebige Skihose
  • Warme Socken
  • Zur Skibindung passende Lederstiefel. Die sind leider nicht sehr warm und der schwächste Ausrüstungsgegenstand

Als ich dann um sechs einkaufen wollte, waren draußen immer noch -24 °C. Ich hatte aber eigentlich mehr Lust auf gemütliche Wärme und habe deshalb zum ersten Mal hier meine Canada Goose Daunenhose und den passenden antarktistauglichen Daunenparka dazu getragen. Das ist so, als ob man sein eigenes Heizkraftwerk mit sich herumträgt und man sollte keine großen Strecken laufen, weil es einem sonst zu warm wird. Egal bei welcher Temperatur! Jetzt sitze ich aber wieder schön im Warmen; das hat doch auch was!

¹ Wer meint, das sei kalt: Bei einem Freund, der 50 km landeinwärts wohnt, waren es heute -34 °C. Wem immer noch kalt ist: In der letzten Stunde ist die Temperatur hier um 5 Grad angestiegen. Morgen Nachmittag sollen es nur noch -6 °C sein und es soll 10-20 cm Neuschnee geben. Mal schaun …

9 Kommentare für „Ein herrlicher Wintertag“

Jonas schreibt:

„Im Wald sitzt ein Baum voller runder Vögel“ – Das muss witzig aussehen :-)
Scheint ja ein durchaus erlebnisvoller Tag gewesen zu sein. Schön!

elke füst schreibt:

Ich bin mir nämlich nicht immer so sicher, wie schnell man Einladungen zu einer eventuellen Kajaktour hier in Nordschweden auch annehmen darf.

nimm es nicht ganz so ernst,mit den einladungen,olaf. es wird öfter sehr schnell eine
einladung ausgesprochen.

wir haben nur -5° und hier sind einige zentimeter schnee gefallen.

gruß elke

Ma HB schreibt:

Hallo Olaf, wunderbare Eisfotos! Gern würden wir diese Winterlandschaft in natura erleben, nur Nordschweden ist ein bißchen weit weg. Allerdings hat es auch was, wie am Sonntag im Bremer Bürgerpark, große g r ü n e Rasenflächen im Sonnenlicht zu erleben. Wir sahen nicht e i n e n Menschen, sondern Hunderte!
Gruß Wo + Ma

Olaf Schneider schreibt:

@Ma HB Grüne Rasenflächen, hm, das wird wohl noch ein bisschen dauern, bis man hier überhaupt wieder Rasenflächen sieht. Und ob die dann wirklich grün sind, man wird sehen.

Ich freue mich schon auf den Frühling. Er soll bloß noch zwei, drei Monate auf sich warten lassen.

Grüße Ol ;-)

ina schreibt:

… irgendwie wird es langsam komisch mit dem Blog.
In Deutschland hättest Du nicht darüber nachgedacht, ob Du die Einladung zu schnell annehmend könntest.
Guck doch einfach, ob Dir der Mensch sympatisch ist, oder nicht.
Und wenn ja, dann freu Dich über den Kontakt.
Und wenn nicht, dann lass es.
Das hat doch nichts mit Schweden zu tun.

Olaf Schneider schreibt:

@ina: Ich finde es eigentlich ganz normal, dass ich mich in einem Land, dessen Kultur ich nicht so gut kenne wie meine eigene und dessen Sprache ich nicht fließend spreche, manchmal unsicherer fühle als in meiner alten Heimat.

Ich habe ja nicht vor, jetzt schwedischer als alle Schweden zu werden, aber ich versuche schon, die Kultur – und das sind auch die vielen kleinen Dinge – besser zu verstehen. Und da gehören solche Fragen für mich dazu. Und auch wenn die schwedische Kultur europäisch ist, ticken viele Sachen hier eben ganz anders als in Deutschland. Wäre ja auch merkwürdig, wenn nicht.

Was findest Du sonst noch komisch an dem, was ich in diesem Blog schreibe? Ich bin neugierig!

ina schreibt:

Na da bin ich aber froh, dass Du nicht schwedischer wirst, als die Schweden ;-)
Skandinavophile Deutsche sind mir zuweilen sehr suspekt.
Was ich noch „komisch“ finde ist die dezidierte Aufzählung aller Kleidungsstücke.
Aber dazu muss man vielleicht Outdoorfan sein ?
Das geht mir alles zu sehr ins Detail.
Ich glaube in Zukunft rufe ich einfach wieder an, um zu hören wie es geht.

Beste Grüße

Olaf Schneider schreibt:

@Ina Dieses Blog hier ist ja nicht mein Leben. Über manches berichte ich viel und detailliert – ich sage nur Schnee ;-) – über vieles schreibe ich gar nicht. Zum Beispiel, weil es zu privat ist und ich es nur mit Familie und Freunden teilen möchte. Aber ich habe das Blog ohnehin nie als Ersatz für persönlichen Kontakt gesehen.

Außerdem ist meine Schreibbrille ein bisschen rosarot. Über tolle Erlebnisse schreibe ich oft sofort etwas, über doofe meistens aber gar nichts. Ich will auch nicht zu viel über die Dinge schreiben, die mich stören oder nerven, zumal das Blog nur auf deutsch ist und die wenigsten Schweden hier mitlesen können. Das hätte für mich ein bisschen was von „hinter jemandes Rücken über einen reden“.

Es wäre schön, wenn wir die Tage mal wieder telefonieren, dann hörst Du, wie es bei mir so ist und vor allem auch ich, wie es Dir geht.

Liebe Grüße
/Olaf

ina schreibt:

Ich freu drauf :-)

Liebe Grüße zurück,

Ina