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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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10 Jahre Solberget

Am Samstag sollte das große Fest steigen: Dirk betreibt seit zehn Jahren das Wildnisdorf Solberget! Seitdem ich im Februar 2005 dort zum ersten Mal zu Gast war, bin ich dort immer wieder gewesen, meist im Winter. Erst, weil mir Solberget und Umgebung so gut gefallen haben, dann immer mehr, weil ich dort immer viele nette Leute kennenlerne oder wiedertreffe.

Und so war es auch dieses Mal. So manch anderer Freund und Bekannter hat das Jubiläum zum Anlass genommen, Solberget einen Besuch abzustatten, und so standen die Tage mehr im Zeichen des Zusammenseins als des einsam Durch-die-Natur-Streifens. Obwohl, nicht nur …

Solberget heißt auf deutsch „Der Sonnenberg“. Und zum Hof gibt es nebenan den entsprechenden Berg – mit wunderschönem altem Baumbestand – gleich mit dazu. Am Freitag habe ich mich einige Stunden nach der Ankunft mit zwei Freunden auf den kurzen Weg zum Gipfel gemacht. Gipfel ist vielleicht ein bisschen übertrieben, denn der Weg ist flach, aber oben steht ein alter Feuerwachturm, den man besteigen kann. Dort hatten wir weite Aussicht auf die hügeligen Wälder, die mit kleinen Seen durchsetzten Moorflächen und auf den Sonnenuntergang.

Der nächste Tag – der Tag des Jubiläums – war den Vorbereitungen gewidmet: Es wurden Kuchen gebacken, Tische und Stühle herausgestellt, Schilder geschrieben und Trinkwasser von der Quelle geholt, ehe mittags das Fest begann. Ein ganzes Rentier am Spieß wurde gebraten, um die Gäste am Abend zu verköstigen, denn auch viele Menschen aus dem 20 Kilometer entfernten Nattavaara haben die Gelegenheit genutzt, sich den Hof anzuschauen, Fika (Kaffeepause) zu halten und sich kreuz und quer zu unterhalten.

Wir waren währenddessen nicht untätig. Manche haben in heavy rotation gespült oder sind in die Rolle des Parkplatzkoordinators geschlüpft, während ich die verantwortungsvolle Aufgabe übernommen habe, den Gummistiefelweitwurfwettbewerb durchzuführen. Nach den Testwürfen musste ich mich erst einmal mit Kuchen stärken.

Am Nachmittag wurde es langsam ruhiger. B. hat wunderschön auf dem Akkordeon gespielt und dazu gesungen und ich habe meinen Flügel sehr vermisst. Ich hätte gerne richtig mitmusiziert, so konnte ich nur ein bisschen mitsingen. Später hat Daniel Wikslund aus Tjautjasjaure auf seiner Geige gespielt und gesungen. Er ist sowohl ein hervorragender Musiker als auch ein erfahrener Entertainer. Einige von uns haben mitmusiziert, ich auf der Gitarre, obwohl ich das nicht wirklich kann. Später wurde es dämmrig und über dem dunkelblauen Himmel über Solberget – ja, es war den ganzen Tag warm und sonnig – zeigte sich das erste Polarlicht. Welch schöner Abschluss für ein gelungenes Jubiläum. (Andere haben noch stundenlang Disko gemacht, aber mit Tanzen habe ich es nicht so und ich bin ja auch eher Frühaufsteher.)

Einige Fotos vom Fest auf Facebook

Der nächste Tag: Da ich recht früh im Bett war, war ich auch früh wieder auf. Selbst die Familien mit Kindern haben noch geschlafen. Ich habe die Gelegenheit genutzt, in den Bach „Myllyjoki“ zu steigen und dort Fotos zu machen. (Vielleicht heißt der Bach auch Njåmmelkietj-Jåkkå, aber das macht das Aussprechen auch nicht gerade einfacher …) Das letzte Foto zeigt nicht den Bach, sondern die Quelle, aus der Solberget sein Trinkwasser bezieht.

Nach und nach tauchten alle wieder auf, das Frühstück ging in das Mittagessen über, Kuchen war auch noch da und alle ließen es ruhig angehen. Manche gemütlich und warm eingepackt beim Lesen, andere beim Kubb spielen.

Weil ich weiß, dass Cat-Content heutzutage wichtig ist, ist dieses Mal auch ein Katzenbild dabei. Sesam, der heimliche Besitzer des Hofes und meistfotografierte Kater der Welt schaute mich verwundert an, als ich mit nasser Wathose bekleidet aus dem Myllyjoki stieg, um wieder in Richtung Hof zu gehen.

Am Sonntag Nachmittag wurde es ein bisschen trüber und es fielen einige Regentropfen. Das war aber nichts im Vergleich zum nächsten Tag, wo ich eine der nassesten Wanderungen meines Lebens unternommen habe.

Nasser geht’s nicht

Regen. Pladderregen. kalter, fieser Pladderregen. So empfing uns der Montag, zwei Tage nach dem Fest auf Solberget. Doch ich hatte schon eine Tour im Hinterkopf. Angefangen hatte die Idee mit Sandras Hinweis, auf der topografischen Karte sei ein Pfad über das Moor eingezeichnet. Moor finde ich immer spannend, und die Aussicht, auch im Sommer zum Hof Tiurevaara zu laufen, zu dem ich im Winter 2006 mal mit Skiern unterwegs war, verlockte mich. Und der Regen – nun, nass wird’s im Moor wahrscheinlich ohnehin.

Bald waren ich, Kamera und Handy wasserdicht verpackt und ich bin losgelaufen. Anfangs führte ein klar erkennbarer Weg durch den Wald. Der erste Graben ließ sich mit einem großen Schritt überqueren und mit ein bisschen Handynavigation habe ich nach knapp zwei Kilometern die Stelle gefunden, wo der Weg ins Moor führen soll. Zuerst sah ich nur eines der roten Holzkreuze, mit denen in Schweden typischerweise die Winterwege markiert sind. Dann dann sah ich einige vermoderte Bohlen, die geradeaus ins Moor führten. Der Weg schien irgendwo im Nichts zu enden. Na gut – dann mal los, umkehren kann ich immer noch.

Ich habe nur Handyfotos durch die wasserdichte Hülle geschossen, die große Kamera wäre mir wahrscheinlich bei diesem Regen abgesoffen.

Bei der Überquerung des Baches auf dem unter der Wasser liegenden Bohle war Balancieren angesagt, denn wie tief das Wasser war, ließ sich nicht erkennen und auch die Wathose, die ich anhatte geht „nur“ bis zur Brust. Aber hier kam ich noch bequem rüber. Danach glich die Wanderung mehr einem Suchspiel. Wo ist die nächste Bohle? Teile waren unter Wasser, auf manchen wuchs schon Sumpfgras und Sonnentau und manche lagen einen halben Meter daneben. Bei manchem Fehltritt oder Ausrutscher landete ich tief im Matsch, wie praktisch, dass immer eine Bohle in der Nähe ist, obwohl auch sonst das Freikommen leichter ist als oft hin angenommen.

Auch im Wald lag der Pfad manchmal unter Wasser und die Markierungen wurden immer spärlicher, bis der Weg zum Schluss im Nichts verschwand. Aber im Wald ist das ja nicht so wild. Mit dem iPhone ist es sehr bequem zu navigieren, wenn man Netz hat und so waren auch die zweite und dritte Sumpfstelle schnell gefunden. Dort lagen keine Bohlen, aber der Boden war trittfest. Und das Schöne: Ich konnte mich auf dem ganzen Weg an Blau- und Moltebeeren sattessen.

Nach etwa sechs Kilometer waten, wandern und Wege suchen habe ich den Hof Tiurevaara gefunden. Während das Haupthaus noch in Gebrauch ist und sogar über ein Thermometer verfügt (5 °C – brrr!), ist manches Nebengebäude völlig verfallen und die Natur erobert sich das Gelände wieder zurück. Unter dem Vordach habe ich eine Pause gemacht und ein bisschen Schokolade gegessen. Während das Handy trocken geblieben ist, war ich selbst am ganzen Körper klatschnass. Deswegen habe ich mich bald auf den Rückweg gemacht.

Auf dem Rückweg musste ich mehr mit Kompass und (nasser) Karte navigieren, da der Ladezustand meines iPhones schon nach drei Stunden von 98% auf „Ich schalte mich jetzt aus“ abgesunken war. GPS + Internet (Kartendarstellung) + Fotografieren ist für so ein Schönwettersmartphone einfach zu viel. Aber egal, man kommt auch ohne nach Hause. (Und zugegeben, ein „normales“ GPS hatte ich auch noch mit dabei.)

Für ein letztes Foto ließ sich das Handy sogar noch einmal wieder anschalten: Diese schöne Kaffeekanne habe ich schon auf dem Hinweg bewundert und jetzt signalisierte sie mir, dass Solberget nicht mehr weit ist.

In der gemütlichen Holzfällerhütte habe ich mich umgezogen, ein Feuer gemacht, alles, was unterwegs mit war, zum Trocknen aufgehängt. Inklusive Karte und Rucksack.

Teilweise mögen Schweiß und Kondenswasser dafür gesorgt haben, dass ich so klatschnass war. Teilweise lief mir das Wasser aber auch einfach am Kinn unter die Jacke oder in die Jackenärmel, wenn der Unterarm mal eine zehntel Sekunde nach oben oder in Richtung Wind zeigte. (Auch supertoll-konstruierte Outdoorjacken haben ihre Grenzen.) Die Wathose hätte ich mir also echt sparen können, zumal ich mir bei der Wanderung auch das Knie etwas aufgescheuert habe. Einen Vorteil hatte das „Overdressing“ aber: Die meisten Sachen blieben sauber.

Besuch in Narvik – Teil 1

Nach dem schönen Jubiläumsfest in Solberget habe ich mich nach Nattavaara zum Bahnhof bringen lassen und bin mit dem Zug nach Narvik gefahren, wo ich Elisabet, eine Freundin besuchen wollte.

Die vierstündige Bahnfahrt ist wirklich sehenswert: Man fährt erst durch Wald und Moor, dann hat man immer mehr Blick auf die Bergwelt und auf den Torneträsk, den siebtgrößten See Schwedens. In Abisko steigen die meisten rucksackbepackten und gutbestiefelten Reisenden aus, denn hier beginnt neben einigen anderen Wegen auch der Kungsleden, der wohl bekannteste Wanderweg Skandinaviens. Einige kleine Bahnhöfe weiter hält man in „Riksgränsen“, der Landesgrenze. Und dann ist man auch schon in Norwegen und hat bald Blick auf den ersten Fjord.

Kurz gesagt finde ich, dass Narvik eine der hässlichsten norwegischen Städte ist, die ich kenne, mit einer der schönsten Umgebungen, die ich kenne. Was für ein Kontrast! Wenn man klug ist, lässt man bei den Norwegern allerdings nichts über die Hässlichkeit Narviks verlauten, schließlich war es die deutsche Wehrmacht, die 1940 fast die ganze Stadt zerstört hat. Aber wenn man nur ein bisschen das Zentrum verlässt oder das Abendlicht die Stadt illuminiert, gefällt mir auch Narvik wieder ganz gut.

Auf den Reinnes

Elisabet hat sich zwei Tage freigenommen und so konnten wir zwei schöne gemeinsame Touren unternehmen. Am Donnerstag führte uns der Weg auf das Reinnesfjellet bei Elvegård. Der Weg dauerte länger als ich vermutet hatte, aber das ist kein Wunder, denn die Wege in Norwegens Norden führen selten geradeaus, sondern winden sich durch die von tiefen Fjorden und hohen Bergen geformten Landschaft. (Über die Verkehrsschilder „Kurvenreiche Strecke“ musste ich lachen, da reicht eigentlich ein Schild für ganz Nordnorwegen.)

Ganz auf den Gipfel haben wir es nicht geschafft, zum einen war das Gelände recht steil und nur eine große Steinfläche, zum anderen war es sehr stürmisch. Aber weiter unten war es ohnehin leichter, eine windgeschützte Stelle für unsere Mittagspause zu finden. Und die Aussicht war dort auch grandios. Bloß um den Gletscher Frostisen zu sehen, mussten wir aufstehen.

Auf dem Rückweg sind wir noch einige Kieswege gefahren. Es gibt wohl kaum ein Tal dort, wo nicht irgendwo ein kleines Wasserkraftwerk ist. Und zu Wasserkraftwerken gehören Stromleitungen und ein Kiesweg dorthin. Manche Wege führen viele Kilometer durch die karge Berglandschaft, einige davon bis nach Schweden.

Nach Harstad

Für den nächsten Tag war in Narvik Dauerregen vorhergesagt. Genau wie für Tromsø, für Abisko, für Bodø. Elisabet mutmaßte, dass weiter westlich in Richtung Atlantik das Wetter besser sein könnte. Als Ziel haben wir uns die Stadt Harstad auf der Insel Hinnøya ausgesucht. Und tatsächlich, auf der Autofahrt hörte der Regen auf und irgendwann kam sogar die Sonne heraus.

Ich finde, dass Harstad das ziemliche Gegenteil von Narvik ist. Hier habe ich mich sofort wohlgefühlt. Der Blick auf den Hafen, die Fußgängerzone mit verschiedenen Geschäften und das ganze Flair haben mir gut gefallen. Und – kann eine Stadt mit eigenem Kajakgeschäft schlecht sein?

Nach einem Mittagessen (Chili con Carne für 99 Kronen, also 13,50 Euro fand ich überraschend günstig für Norwegen) sind wir in den Nordwesten der Insel weitergefahren, um eine kleine Wandertour auf den Keipen zu machen. Es war nicht einfach, nach der Beschreibung in der Werbebroschüre den Weg dorthin zu finden, da diese es mit links—rechts oder erster See—dritter See nicht ganz so genau nahm. Aber wir hatten Glück (und GPS) und haben den Weganfang gefunden.

Über ein kleines Moor führte ein Weg erst durch einen Birkenhain, dann über das baumlose Fjell an einem See vorbei auf den überraschend nahen Gipfel, der dort steil in den Kasfjorden abfällt. So hat man dort wunderschöne Blicke über Fjell und Fjord.

Der Rückweg nach Narvik hat lange gedauert, auch weil ich uns durch Nebenstrecken gelotst habe. (Wunderschön!) Außerdem habe ich eine kleine Muschelsammelpause an einer großen Sandbucht gemacht. Ein Paradies für Sammler: 10 Zentimeter große Island- und Kammmuscheln liegen dort zuhauf herum. Dort hätte ich Stunden zubringen können. Gegen halb elf waren wir wieder in Narvik. Und im Regen.

Besuch in Narvik – Teil 2

Heute am Samstag musste Elisabet, mit der ich die letzten zwei Tage schöne Touren in Narviks Umgebung unternommen hab, arbeiten und so habe ich mich bei sonnigem Wetter alleine auf den Weg gemacht.

Zuerst war ich an zwei benachbarten Buchten, die sich gut zu Fuß erreichen ließen. Die erste Bucht Taraldsvika war steinig und extrem schlickig, hatte aber ihre Reize mit dem kleinen Flüsschen Taraldsvikelva, dass dort in den Fjord mündet.

Die zweite Bucht war das genaue Gegenteil. Hier gab es Sandstrand und sogar einen Sprungturm, der allerdings gefühlt 50 Meter hoch war. Im flachen Wasser tummelten sich Einsiedlerkrebse und man musste aufpassen, dass man nicht auf einen der Seeigel trat.

Ich habe dann in der Wohnung gefrühstückt und die Gummi- gegen die Wanderstiefel gewechselt, da ich mit der Seilbahn auf den Fagernestoppen, den „Hausberg“ Narviks fahren wollte. Dort war aber schon eine halbe Stunde vor der ersten Fahrt so viel los, dass ich die Lust aufs Warten verloren habe und stattdessen lieber selbst gewandert bin, allerdings in Richtung Rombakstøtta, einen imposanten Gipfel, der sich schroff von seinen Nachbarn abhebt. Das war eine gute Wahl, auch wenn ich nicht sehr weit gekommen bin. Am Forsnesvatnet, einem Gebirgssee habe ich Pause gemacht. Nach kurzer Rast bin ich wieder abgestiegen. Wenn ich das nächste Mal dort sein sollte, laufe ich aber weiter.

Auf dem Rückweg hatte ich noch eine Begegnung der dritten Art: Eine große Spinne, von einer anderen Familie auf dem Weg gefunden. Sie war zwar etwas unwillig, sich fotografieren lassen, aber zwei Schnappschüsse zeige ich doch. (Kaum eine Wandertour, bei der ich ohne dreckige Hosen nach Hause komme.)


Am nächsten Tag haben Elisabet und ich die Fahrt auf den Hausberg nachgeholt. Das war zwar ein etwas eiliges Unterfangen, da die erste Seilbahn um zwölf geht und um halb drei schon mein Zug fuhr, doch es hat alles gut geklappt. Erst fährt man mit der Seilbahn auf die Bergstation. Dort ist auch ein Restaurant. Nach kurzem Weg führt ein Sessellift fast bis auf den ersten Gipfel, wo wir in einer windgeschützten Mulde allen Proviant aufgegessen haben. Und die Aussicht auf Stadt, Fjell, Berge, Gletscher und Wälder bewundert. Wahrscheinlich ist es völlig egal, wohin man mit der Kamera zielt, es sieht überall schön aus. Oder man trifft einen Strommasten. Viel zu früh mussten wir aufbrechen und wieder mit Sessellift und Seilbahn hinabfahren.

Dann ging alles ganz schnell. Elisabet hat mich zum Bahnhof gebracht und ist direkt zur Arbeit weitergefahren. Eine Viertelstunde später setzte sich der Zug in Bewegung und brachte mich in achteinhalb langen Stunden nach Bastuträsk, wo ich müde, aber sehr zufrieden über meine Reise mich ins Auto gesetzt habe und nach Hause gefahren bin.

Liebe Elisabet, danke für Deine Gastfreundschaft und die schöne gemeinsame Zeit.