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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Solberget

Wenn man von Gällivare nach Solberget möchte, nimmt man am Besten den Nattavaaravägen. Nach 50 Kilometern links abbiegen, nach sechs Kilometern rechts. Dann noch elf Kilometer fahren und man ist da.

Solberget, ein Wildnisdorf in Lappland, ist nicht ganz unschuldig daran, dass ich in Nordschweden gelandet bin. 2005 war ich das erste Mal hier, unter anderem, um am Kurs „Erste Hilfe Outdoor“ teilzunehmen. Seitdem war ich dort fast jeden Winter.

Ich mag nicht nur die hügelig-bergige Wald- und Moorlandschaft, die Solberget umgibt und in der man im Winter so schöne Skitouren unternehmen kann, sondern auch die gemütlichen Unterkünfte auf dem Hof, die man mit Holz heizt und mit Petroleumlampen beleuchtet. Denn Solberget ist nicht ans Stromnetz angeschlossen und auch das Wasser holt man von der Quelle oder aus dem Brunnen. Inzwischen komme ich allerdings nicht mehr als Tourist, sondern hauptsächlich, um Dirk und Silke, die Solberget betreiben, zu besuchen. Wer mehr über Solberget und die vielen Sommer- und Winteraktivitäten erfahren möchte, schaut am Besten direkt auf die Website www.solberget.com.

Am Donnerstag war recht trübes Wetter. Ich bin auf Skiern auf den Solberget gelaufen. (Solberget bedeutet „Der Sonnenberg“ und sowohl der Hof als auch der benachbarte, flache Berg heißen so.) Dort gibt es einen Turm, von dem man eine weiter Aussicht hat und eine gemütliche Berghütte, in der man mit vier Personen übernachten kann.

Jeder Gast auf Solberget bekommt im Winter Tegsnäs-Ski. Das sind breite und über zwei Meter lange Holzski, die auf dem lockeren Pulverschnee sehr gut tragen. Sie haben eine Universalbindung, so dass man sie mit jedem Stiefel benutzen kann.

Ich hatte dieses Mal aber meine eigenen schmaleren Fjällski dabei und diese benutzt, weil ich neugierig war, wie sie sich in diesem Gelände so machen. Auf dem Weg nach oben zum Solberget stand ich auch so manches Mal bis zum Knie im Schnee. Auf der Fahrt nach unten habe ich mich aber über die Beweglichkeit der Fjällski gefreut.


Am nächsten Tag war schönes Wetter und ich bin zu den ausgedehnten Moorgebieten gelaufen. Dieses Jahr war der Winter sehr warm und es gab so manche Stelle mit offenem Wasser. Hier wären die Tegsnäs definitiv die bessere Wahl gewesen, denn an einer Stelle stand ich plötzlich bis zur Hüfte im Schnee und meine Skier auf dem nassen Moorboden. Da durfte ich danach erst einmal Eis kratzen, damit ich weiterlaufen konnte.

Hier ein paar Bilder von der kleinen Tour:

Gestern am Samstag bin ich wieder nach Hause gefahren. Ich hätte gerne noch Bekannte auf dem Weg besucht, doch der Schwedische Wetterdienst hatte eine Wetterwarnung Stufe 2 wegen starker Schneefälle und starkem Wind ausgerufen. Deswegen bin ich direkt nach dem Frühstück aufgebrochen und auch wenn es noch nicht geschneit hat, so war die Rückfahrt bei dem starken und böigen Wind recht anstrengend. Jetzt beruhigt sich das Wetter allerdings ein wenig und die bis zu 30 cm Schnee mit starken Verwehungen werden Skelleftehamn wohl nicht treffen.

Danke, Silke und Dirk, für Eure Gastfreundschaft. War wieder schön bei Euch.

Noch ein Wort an die drei Elche von gestern: Das sah schön aus, wie ihr in einer Reihe durch den Schnee gelaufen seid. Aber warum bitteschön an der Hauptstraße, wo ich nicht bremsen kann, um auch endlich mal ein Elchfoto zu machen.

Und noch ein Wort an die vielen Rentiere auf der Straße: Danke fürs Vorbeilassen, aber was knabbert ihr eigentlich so gerne an dem vereistem Straßenboden herum? Sind Euch die Flechten zu langweilig geworden?

10 Jahre Solberget

Am Samstag sollte das große Fest steigen: Dirk betreibt seit zehn Jahren das Wildnisdorf Solberget! Seitdem ich im Februar 2005 dort zum ersten Mal zu Gast war, bin ich dort immer wieder gewesen, meist im Winter. Erst, weil mir Solberget und Umgebung so gut gefallen haben, dann immer mehr, weil ich dort immer viele nette Leute kennenlerne oder wiedertreffe.

Und so war es auch dieses Mal. So manch anderer Freund und Bekannter hat das Jubiläum zum Anlass genommen, Solberget einen Besuch abzustatten, und so standen die Tage mehr im Zeichen des Zusammenseins als des einsam Durch-die-Natur-Streifens. Obwohl, nicht nur …

Solberget heißt auf deutsch „Der Sonnenberg“. Und zum Hof gibt es nebenan den entsprechenden Berg – mit wunderschönem altem Baumbestand – gleich mit dazu. Am Freitag habe ich mich einige Stunden nach der Ankunft mit zwei Freunden auf den kurzen Weg zum Gipfel gemacht. Gipfel ist vielleicht ein bisschen übertrieben, denn der Weg ist flach, aber oben steht ein alter Feuerwachturm, den man besteigen kann. Dort hatten wir weite Aussicht auf die hügeligen Wälder, die mit kleinen Seen durchsetzten Moorflächen und auf den Sonnenuntergang.

Der nächste Tag – der Tag des Jubiläums – war den Vorbereitungen gewidmet: Es wurden Kuchen gebacken, Tische und Stühle herausgestellt, Schilder geschrieben und Trinkwasser von der Quelle geholt, ehe mittags das Fest begann. Ein ganzes Rentier am Spieß wurde gebraten, um die Gäste am Abend zu verköstigen, denn auch viele Menschen aus dem 20 Kilometer entfernten Nattavaara haben die Gelegenheit genutzt, sich den Hof anzuschauen, Fika (Kaffeepause) zu halten und sich kreuz und quer zu unterhalten.

Wir waren währenddessen nicht untätig. Manche haben in heavy rotation gespült oder sind in die Rolle des Parkplatzkoordinators geschlüpft, während ich die verantwortungsvolle Aufgabe übernommen habe, den Gummistiefelweitwurfwettbewerb durchzuführen. Nach den Testwürfen musste ich mich erst einmal mit Kuchen stärken.

Am Nachmittag wurde es langsam ruhiger. B. hat wunderschön auf dem Akkordeon gespielt und dazu gesungen und ich habe meinen Flügel sehr vermisst. Ich hätte gerne richtig mitmusiziert, so konnte ich nur ein bisschen mitsingen. Später hat Daniel Wikslund aus Tjautjasjaure auf seiner Geige gespielt und gesungen. Er ist sowohl ein hervorragender Musiker als auch ein erfahrener Entertainer. Einige von uns haben mitmusiziert, ich auf der Gitarre, obwohl ich das nicht wirklich kann. Später wurde es dämmrig und über dem dunkelblauen Himmel über Solberget – ja, es war den ganzen Tag warm und sonnig – zeigte sich das erste Polarlicht. Welch schöner Abschluss für ein gelungenes Jubiläum. (Andere haben noch stundenlang Disko gemacht, aber mit Tanzen habe ich es nicht so und ich bin ja auch eher Frühaufsteher.)

Einige Fotos vom Fest auf Facebook

Der nächste Tag: Da ich recht früh im Bett war, war ich auch früh wieder auf. Selbst die Familien mit Kindern haben noch geschlafen. Ich habe die Gelegenheit genutzt, in den Bach „Myllyjoki“ zu steigen und dort Fotos zu machen. (Vielleicht heißt der Bach auch Njåmmelkietj-Jåkkå, aber das macht das Aussprechen auch nicht gerade einfacher …) Das letzte Foto zeigt nicht den Bach, sondern die Quelle, aus der Solberget sein Trinkwasser bezieht.

Nach und nach tauchten alle wieder auf, das Frühstück ging in das Mittagessen über, Kuchen war auch noch da und alle ließen es ruhig angehen. Manche gemütlich und warm eingepackt beim Lesen, andere beim Kubb spielen.

Weil ich weiß, dass Cat-Content heutzutage wichtig ist, ist dieses Mal auch ein Katzenbild dabei. Sesam, der heimliche Besitzer des Hofes und meistfotografierte Kater der Welt schaute mich verwundert an, als ich mit nasser Wathose bekleidet aus dem Myllyjoki stieg, um wieder in Richtung Hof zu gehen.

Am Sonntag Nachmittag wurde es ein bisschen trüber und es fielen einige Regentropfen. Das war aber nichts im Vergleich zum nächsten Tag, wo ich eine der nassesten Wanderungen meines Lebens unternommen habe.

In der Holzfällerhütte

Vor kurzem habe ich gemerkt, dass ich noch eine Woche Urlaub übrig habe und habe mich spontan wieder auf Solberget angekündigt, wo ich seit 2005 jedes Jahr wieder war, mal kürzer, mal länger. Da das Gästehaus und der Bauwagen schon belegt waren, hatte ich die urige Holzfällerhütte für mich allein. Das war vielleicht auch ganz gut so, da ich ganz schön erkältet war und so mit meinem Geschniefe und Gehuste keinen gestört habe. Als ich letzten Samstag ankam, habe ich dort erst einmal schön eingeheizt, denn wenn ich erkältet bin, habe ich es gerne warm.

Die HolzfällerhütteDie Holzfällerhütte bei NachtDas Feuer im Ofen brenntFenster der Holzfällerhütte

Und da ich erkältet war, habe ich alles ruhig angehen lassen. Sehr ruhig! Und dennoch war ich auf Skiern unterwegs, mit Schneeschuhen, bei Lars, dem Samen, im Ájtte in Jokkmokk. Und Polarlicht gab es auch. Nur die holzbeheizte Sauna habe ich mir dieses Mal gespart.


Mit Freunden, die inzwischen in Südschweden leben, habe ich am Montag eine Skitour zum Slättberg, einem verlassenen Hof in Solbergets Nähe, gemacht. Gerne wüsste ich die Geschichte, warum die Bewohner ihren Besitz so übereilt verlassen haben und die Häuser jetzt immer mehr verfallen. Inzwischen sind auch größere Teile des Fußbodens im Haupthaus eingestürzt und es war vielleicht das letzte Mal, dass ich den alten Kinderwagen fotografieren konnte.

Offener Bach auf dem WegDer SlättberghofAlles verfälltIm Wohnhaus

Am Abend stand ich lange draußen, um den Kometen PANSTARRS zu entdecken. Als ich dachte, er sei schon längst untergegangen, hat ein astronomieinteressierter Gast ihn am Westhimmel ausmachen können. Mit meinem kleinen russischen Feldstecher, den ich immer im Auto habe, konnte man den sonnenabgewandten Schweif gut erkennen. So bin ich noch länger draußen geblieben, um den Kometen zu fotografieren, auch wenn unser Wunsch eines zeitgleichen Polarlichts sich nicht erfüllte.

PANSTARRS über SolbergetDer Komet C/2011 L4 (PANSTARRS)

Vielleicht ist Euch aufgefallen, dass auf den Bäumen kein Schnee liegt. Das liegt daran, dass die Tage inzwischen genauso lang sind wie in Mitteleuropa und die Märzsonne schon viel Kraft hat, jeglichen Schnee von den Bäumen herunter zu schmelzen. Zum Vergleich einige Fotos von Solberget im Februar letzten Jahres.

Morgen, am Sonntag, schreibe ich mehr.

Sápmi

Wenn man auf dem Solbergethof ist, so ist man natürlich in Nordschweden, aber auch in Sápmi, dem Siedlungsgebiet der Samen, welches sich von Norwegen und Schweden bis nach Finnland und Nordrussland erstreckt. Und einer von Solbergets Nachbarn, der gut vierzig Kilometer weit weg wohnt, ist Lars, der Same, der in den fünfziger Jahren aktiv Rentierzucht betrieben hat.

Er war schon oft auf Solberget zu Gast, um über die Rentierzucht und das Leben der Samen zu erzählen. Jedes Mal erzählt er wieder Neues und ich könnte ihm stundenlang zuhören. Dieses Mal sind wir zu ihm gefahren und haben ihn seinem kleinen urgemütlichen Café gesessen und er hat erzählt. Dieses Mal über die heutigen Probleme mit den Raubtieren, die viele Rentiere reissen, aber durch die EU geschützt sind. Die Samí dürfen diese Tiere selbst dann nicht töten, wenn sie damit nur ihre Herde verteidigen. Ebenfalls erzählte er über Kirche und Staat, die früher aus den Samí Schweden und Christen machen wollten. Die samische Religion wurde verboten, die Kultur wurde verboten und die Sprache wurde verboten. Da vor allem die samischen Männer aber Teile des Jahres nomadisch lebten und Pastoren und Amtsmänner weit weg waren, konnten der Joik und die Sprache überleben. Viele Samen heutzutage sprechen ausschließlich schwedisch, aber es gibt mehrere samische Schulen, eine davon im nahen Jokkmokk, in denen die samische Sprache gelehrt wird.

Lange waren wir bei Lars, haben seine Rentiere bewundert, sehr leckeren Moltebeerenkuchen gegessen, ihm zugehört und jede Menge Fragen gestellt und zum Schluss auch noch den winzigen alten Laden besucht, in dem Lars’ Frau alte Sachen zeigt, die sie über viele Jahre gesammelt hat.

Lars mit RentierRentierportrait
Lars’ gemütliches CaféDer alte Kaufmannsladen

Man sollte einen Samen übrigens nie fragen, wie viele Rentiere er hat. Da die Rentiere das Vermögen darstellen, wäre es das gleiche, als fragte man, wie viel Geld jemand auf dem Konto hat. Natürlich bekommt Lars die Frage dennoch oft zu hören und hat immer eine ausweichende Antwort parat.

Am nächsten Tag habe ich mit Freunden aus Südschweden eine Schneeschuhtour gemacht. Ehrlich gesagt ist das nicht so mein Fall. Sie haben zwar den Vorteil, dass man Berge einfacher hochlaufen kann als mit den Holzski, aber ich vermisse die gleitenden Bewegungen des Skilaufens und komme mir immer ein bisschen tapsig und unbeholfen vor. Auch die Skispuren finde ich schöner als die dicken Abdrücke der langen und breiten Schneeschuhe. Aber im Grunde ist mir das draußen sein wichtig und nicht, was ich unter die Füße geschnallt habe. Und da sollte man etwas haben, denn im hüfttiefen Schnee würde man ohne Ski oder Schneeschuh nicht weit kommen.

SchneeschuhspurenSchneeschuhwandern

Am Abend war ich wegen der Erkältung sehr früh wieder in der Holzfällerhütte, um zu schlafen, wurde aber netterweise wieder schnell geweckt, denn draußen war Polarlicht. Ich konnte noch ein paar Fotos machen, ehe das Polarlicht wieder schwächer wurde. Aber schon alleine der klare Sternenhimmel über dem tief verschneiten Hof ist wunderwunderschön.

PolarlichtPolarlicht über der Sauna

Klarer Sternenhimmel über Solberget

Am Donnerstag waren wir in Jokkmokk, um das Ájtte, das Samenmuseum zu besuchen. Hier kann ich mich stundenlang aufhalten, denn ich finde das Museum sehr informativ, schön gemacht und gerade richtig groß. Bis zur letzten Sekunde sind wir im Museum geblieben, ehe wir wieder nach Solberget zurückgefahren sind.

Ájtte – eIn DorfmodellÁjtte – geschnitzte MesserscheideÁjtte – SchamanentrommelÁjtte – bemaltes Trommelfell

Am nächsten Tag bin ich wieder nach Hause gefahren und habe genossen, dass dieser schöne Platz nur vier Stunden von meinem Haus entfernt liegt. Aber zu Hause sein ist auch schön und gleich werde ich hinausgehen, denn wie schon fast die gesamte Woche ist auch der heutige Sonntag klar und sonnig.