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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Der Tag, an dem ich vielleicht Fan des Inlandes wurde

Im Juni, da kommen alle Einladungen auf Mal, denn im Juli wird Schweden geschlossen. Und so kam es, dass ich sowohl am Samstag als auch am Sonntag eingeladen war. Erst eine Geburtstagseinladung bei Annica und Martin in ihr Sommerhaus in Bygdeträsk. Eine wunderschöne Feier mit netten Freunden und Bekannten, viel gutem Essen, Baden in der geheizten Badetonne und im kaltem See, Gitarre und Gesang und vielem mehr, was aus einem Samstag einen schönen Samstag macht. Hier zeige ich dieses Mal nur zwei Fotos, eines von elf Uhr abends, eines von Mitternacht:

Späte Abendstimmung über dem GöksjöMitternacht

Ich habe in Bygdeträsk übernachtet und um neun Uhr morgens, als die meisten anderen noch schliefen, habe ich mich ins Auto gesetzt und bin über die Dörfer ins Inland gefahren. Wenn ich zur Zeit durch die Landschaft fahre, komme ich mir vor wie ein Schwamm, der Sommerfarben aufsaugt. Das Hellblau des Himmels, das Dunkelblau des Sees. Das Hellgrün der Birkenblätter, das Dunkelgrün des Nadelwalds. Dazwischen das Rot der Häuser und das Blau-gelb der Schwedenfähnchen. Und überall blühen die Wiesenblumen um die Wette. Wunderschön!

Mein Ziel war Åmträsk, welches im Inland genau mitten im Nirgendwo liegt. Dorthin hat Birgit, Autorin der Erzählung Gömda men inte glömda diejenigen, die an dieser Produktion maßgeblich beteiligt waren, auf ihr Sommerhaus eingeladen. Da ich die Musik geschrieben habe und als Pianist mit auf der Bühne bin, durfte auch ich mit dabei sein.

Nach gut zwei Stunden Fahrt bin ich in Åmträsk angekommen und schaue mich begeistert um. Eigentlich fand ich Inland ja immer ein bisschen langweilig: Wald, Wald, Wald, Moor, Wald. Und wieder von vorne. Was ich aber vergessen habe, ist, wie viele Seen es hier gibt. Und auf einer riesigen Wiese, direkt am See Åmträsket, dort haben Birgit und Robert ihr Sommerhaus. Sommerhaus – haha! Das Ganze ist ein riesiger Hof mit mehreren Wohnhäusern, jedes davon größer als mein Haus, mit großen Schuppen, kleiner Hütte am See, Bootshaus und vielem mehr. Ein ganzes Anwesen, nur für die Sommermonate! Ich fühle mich sofort wohl, nicht nur, weil ich weiß, dass ich gleich nette Menschen treffen werde, sondern weil speziell dieser Ort mit positiver Energie getränkt zu sein scheint.

Zuerst saßen wir in der geräumigen ofengeheizten Küche und haben – richtig gedacht! – geschlemmt.

„Könnt Ihr Euch die Küche ohne Frau denken – Ich kann das nicht“Gemütliches Kaminfeuer

Dann zerstreute sich das Ganze ein bisschen: Der dreijährige Sohn der Regisseurin war selig. Er durfte Traktor fahren! Dann sind wir durch den Wald zur kleinen Hütte am See gelaufen. Haben Feuer gemacht. Einige liefen zurück, um kurze Zeit später angelnd im Boot vorbeizufahren. Ich habe meine Nase in die verschiedenen Schuppen gesteckt (ausdrücklich erlaubt!), die kleinen Hunde gestreichelt, noch mehr gegessen und noch etwas für mich ganz Besonderes gemacht:

Ich habe mir das erste Mal in meinem Leben freiwillig Kaffee nachgegossen. Dabei mag ich das Zeugs doch eigentlich gar nicht! Mutiere ich jetzt etwa zu einem Schweden? Oder übertragen manche Mücken ein Ich-mag-Kaffee-Virus? Das könnte den hohen Kaffeekonsum im Norden gut erklären.

Eine der alten ScheunenKaffee kochen

Später – nach dem Grillen und damit noch mehr leckerem Essen – habe ich noch eine Bootstour mit Robert gemacht. Durch den See führt ein wunderschönes Flüsschen, welches man vor einigen Jahren noch weite Strecken bepaddeln konnte. Seit der Renaturierung kann man nur noch ein Stück in die Arme hineinfahren, aber auch diese kürzere Strecke war schon wunderschön. Das Stück Regenbogen am Himmel war dann schon fast zu viel der Schönheit, aber die Natur kennt zum Glück keinen Kitsch. Den erzeugen nur Maler und Fotografen, die Regenbögen abbilden … 

Nach einer Stunde kehrten wir um, ich mit Fotos, Robert mit einem frisch geangeltem Hecht, so waren beide zufrieden!

Mit dem Boot durch den Sommer

RegenbogenSchräglage

Flusswandern – dort vorne ist leider der schiffbare Teil zu Ende

Schwer nur konnte ich mich losreißen, so gut hat mir dieser Platz gefallen. Und so wurde gestern der Sonntag zu dem Tag, an dem ich vielleicht ein bisschen Fan des Inlandes wurde. Aber Skelleftehamn mag ich immer noch lieber, denn dort ist das Meer!

Heute hat es hier übrigens geschüttet und gehagelt und die Temperaturen sanken auf 5 °C. Und eben gerade lese ich von K. aus Nattavaara in Lappland den Facebook-Eintrag, auf den ich schon den halben Tag warte: „It’s snowing!“. (Nachtrag: Hier dazu der Blogartikel von Kevin).

13 Kommentare für „Der Tag, an dem ich vielleicht Fan des Inlandes wurde“

Annika schreibt:

Bei der Schwamm-Bemerkung fiel mir sofort spontan die Geschichte der Maus Frederik ein (jetzt auch auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=LlzNQ0QicR4). Ich hoffe, es gab nicht zu viele Mücken… ansonsten wieder Bilder zum Träumen :-)

Olaf Schneider schreibt:

Da bin ich wohl Frederick sehr ähnlich, ich sammele ja auch lieber Fotos als Fische.

Annika schreibt:

Ich freu mich dann schon auf die Geschichten in langen Winternächten :-)

Hannah Karlsson schreibt:

Also, Kaffee trinke ich ja eigentlich immer gerne. Aber es ist nur in Schweden so, dass die kvällsfika für mich absolut dazugehört und fast die schönste „Mahlzeit“ des Tages ist… Da bin ich also dann sowas wie eine richtige „kaffetant“ :-) (Leider lieben die myggor mich trotzdem…)

Olaf Schneider schreibt:

Es war noch erstaunlich ruhig, was die Mücken angeht.

Karen schreibt:

Es schneit sogar in Mittelfinnland… Hier „im Süden“ zum Glück nicht – aber ich musste doch heute früh zum Radfahren Mütze und Handschuhe rauskramen. Na dann, fröhliches Mittsommerfest…! :-/

Olaf Schneider schreibt:

Nein, Schnee haben wir hier an der Küste nicht, aber ein Nachtminimum von +2.9 °C – brrr!

Pia schreibt:

Hej Olaf,

glad midsommar önskar jag fran Düsseldorf!!

Das Sommer“häuschen“ hört sich ja wunderbar an!
Danke wieder, daß Du uns so lebendig an Deinen Ausflügen teilhaben läßt!

Kram Pia

Ruedi Eichenberger schreibt:

Lieber Olaf
Durch Deinen Blog allein könnte man schon Schwedenfan werden. Ich fürchte aber, der Virus habe mich nicht nur virtuell erfasst. Zurzeit sitze ich nämlich in einem Stuga in Lövanger, genauer auf Pålholmen, einer Landzunge 12 km südlich der Kyrkstad mit dem wohlbekannten Sockenmuseum. Zum dritten Mal! Denn Freunde von mir, Schwedenschweizer oder Schweizerschweden scon fast, besitzen hier ein Sommerhäuschen und freuen sich über bekannte Gäste. So kreuze ich nun flugs das „Blog-Abo“ an, auf dass mich Nordschweden auch den schwedenfreien Rest des Jahres begleitet. Denn morgen steht die Rückreise an.

Olaf Schneider schreibt:

Dann waren wir ja fast Nachbarn, Ruedi, denn so weit ist Lövanger ja nicht entfernt. Gestern noch habe ich mit Freunden Bjuröklubb angeschaut. Gute Rückreise.

Olaf Schneider schreibt:

Hej Pia, ich hoffe, Du hattest auch einen schönen Mittsommer. Wird der irgendwo in Düsseldorf gefeiert?

Axel schreibt:

Die Fotos lassen erahnen, wie schwer der Abschied gefallen sein muss. Schöne Gegend, sehr gut eingefangen.

Olaf Schneider schreibt:

Ja, das ist schon eine schöne Ecke. Wobei es viele ähnlich schöne Ecken gibt, aber dort habe ich mich irgendwie besonders wohl gefühlt.