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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Die Schlauchbootsaison beginnt

Wenn es wärmer wird, dann ist es ein beliebtes Hobby vor allem der Jugendlichen, sich im Schlauchboot langsam den Skellefteälven hinabtreiben zu lassen. Gerne mit Dosenbier. Und ja nicht rudern oder so etwas uncooles – chillen ist angesagt.

Flussabwärts treiben lassen

Ist es erst richtig Sommer und richtig warm, dann nehmen die Jugendlichen auch gerne Kinderplanschbecken, in die sich sich mit Badehose oder -anzug bekleidet zu zweit oder dritt hinein hocken. Da Planschbecken nicht unbedingt für so etwas gebaut sind, verlieren die meisten unterwegs Luft, reissen oder brechen unter dem Gewicht zusammen. Macht ja nichts, dann schwimmt man eben an Land.

Jetzt am langen Wochenende soll es bis zu 25 °C warm werden und ich freue mich schon darauf, erstmalig dieses Jahr wieder im T-Shirt zu paddeln. Das bedeutet, dass ich nicht weit rauspaddeln kann, denn das Wasser ist ja noch schweinekalt, daher wird das vermutlich wieder eine Flusstour oder ein Stückchen die Küste entlang.

Langes Wochenende? Warum? Am Freitag, den 6. Juni ist schwedischer Nationalfeiertag. Aber im Gegensatz zu dem norwegischen Pendant kümmert es die meisten Schweden nicht so wirklich und kaum einer hier käme auf die Idee, Flaggen schwingend durch die Innenstadt zu laufen. Statt dessen geniessen einfach alle den freien Tag und das werde auch ich tun.

Ich als bezahlter Redner

Heute habe ich das erste Mal eine Rechnung für einen gehaltenen Vortrag geschrieben. Klingt toll, oder? Da sollte ich vielleicht dazu schreiben, dass ich 500 Kronen, also 55 Euro in Rechnung stelle. Das reicht noch nicht ganz, um alleinig auf Vorträge zu setzen, glaube ich.

Am Montag war das „Bothnian Bay Marine Forum“, eine Reihe von Boundless Botnian Bay, dem gleichen Projekt, dem ich Anfang Februar als Journalist die Küste entlang nach Oulu in Finnland folgen durfte, in Skelleftehamn. Es war schön, einige Menschen wiederzutreffen, nicht nur Freunde und Bekannte aus Skellefteå, sondern auch die Organisatoren aus Finnland und einen Journalisten aus Spanien, der im Februar auch mit dabei war.

Nach der Begrüßung habe ich eine viertel Stunde darüber erzählt, warum ich hier gelandet bin, es mir immer noch gefällt und ich so ziemlich alle Einheimischen für „hemmablind“ – betriebsblind halte. Der Vortrag ist gut gelaufen und da ich ziemlich am Anfang dran war, konnte ich mich dann bequem zurücklehnen und den anderen zuhören, unter anderem dem phantastischen Bill Taylor aus Schottland, der seit 30 Jahren im Tourismus arbeitet und einen sehr inspirierenden Vortrag über den Tourismus in Schottland gehalten hat. Oh, oh, da haben wir in Nordschweden noch viele Jahre Arbeit vor uns!

Lasse Westerlund hat alle Vortragenden fotografiert und heute habe ich einige Fotos bekommen, die er von mir gemacht hat. Sich selbst auf Fotos in so einer Situation zu sehen ist ähnlich irritierend wie die eigene Stimme als Aufnahme zu hören. Das soll ich sein?! Ich habe die dümmsten Gesichtsausdrücke ausgesucht:

Vortrag #1 (Foto: Lasse Westerlund)Vortrag #2 (Foto: Lasse Westerlund)Vortrag #3 (Foto: Lasse Westerlund)Vortrag #4 (Foto: Lasse Westerlund)

Nächstes Mal muss ich mich unbedingt auf Video aufnehmen. Das wird zwar kein reines Vergnügen sein, sich so von außen zu sehen, aber man kann glaube ich eine Menge über sich selbst lernen.

Um fünf war der offizielle Teil vorbei und wir sind bei schönstem Sommerwetter vom Maskinhuset das kurze Stück herüber zur M/S Stormvind herübergelaufen, einem Schiff, welches fest verankert in Skelleftehamn liegt, und haben dort ein sehr leckeres Abendessen bekommen, während draußen die Segelboote den Wind auf dem Sörfjärden nutzten. Dort war ich gerade einige Tage zuvor mit dem Kajak unterwegs gewesen. Nach einem leckeren Eis mit Moltebeeren als Nachtisch war Aufbruch und wenige Minuten später war ich wieder zu Hause. Es hat sich definitiv gelohnt, den halben Tag frei zu nehmen.

Segelboote auf der Bucht

Nebelbänke

Als ich heute mit dem Auto den „Näsuddsvägen“ langgefahren bin, habe ich mich gewundert. Blauer Himmel und Sonne, aber wo ist denn die Insel Gåsören mit ihrem markanten kleinen Leuchtturm geblieben? Ach dort hinten, fast im Nebel verschwunden.

Fünf Minuten später war ich an der Lotsenstation und habe den kleinen Seenebelbänken zugeschaut, die fast wie große Geisterquallen über der Ostsee entlang trieben.

Kleine Nebelbank auf der Ostsee

Ich habe zwar vor vielen Jahren auf Sylt einmal Seenebel erlebt und gestaunt, wie schnell der kam und wie dicht der sein kann, doch heute war der Nebel viel lokaler und manchmal sah man einen Teil der Inseln klar und deutlich, manchmal waren sie komplett verschwunden. Und manchmal war der Nebel dicht, aber so flach, dass die Bäume und der Leuchtturm der Insel Gåsören oben heraus schauten.

Gåsören im flachen Nebel

Bestimmt eine Stunde habe ich mir die Sonne auf den Rücken scheinen lassen und die Inseln verschwinden und wieder auftauchen sehen. Wie gut, dachte ich, dass ich am Kajak immer einen Kompass dabei habe, auch wenn ich ihn bis jetzt noch nie ernsthaft gebraucht habe.

Heute Abend bin ich hingegen faul und schaue DVD, nur für diesen Blogartikel unterbrochen. Eigentlich sollte ich jetzt lieber mit dem Kajak draußen sein, dachte ich gerade, doch höre es keine Minute später draußen Grollen. Ein Gewitter? Sehr schön, dann darf ich auch faul zu Hause sein und DVD schauen.

Noch zwei Fotos von vorhin:

Gåsören bei klarer Sicht

Gåsören wenig später im Nebel verschwindend

Schwedischer Nationaltag

Gestern war der 6. Juni, das ist der schwedische Nationalfeiertag. Im Gegensatz zum 17. Mai in Norwegen wird der aber eher ruhig angegangen. Natürlich ist hier und dort eine Flagge gehisst, aber das war es dann auch schon. Glaube ich zumindest.

Gestern war ich mit dem Auto unterwegs und der kurvige Kiesweg, den ich von Kåge aus genommen habe, hat mich schon halb nach Kusfors geführt, wo Lasse und Martine leben. Die waren aber nicht zu Hause, sondern in Norsjö, um dort für das Dorf Kusfors den Preis „Årets by“ – Dorf des Jahres – der Kommune entgegenzunehmen. Ich bin deswegen über kleine Nebenwege (Åliden – Stöverfors – Krångfors – Finnfors – Bastuträsk) nach Norsjö gefahren, um mich dort mit meinen Freunden zu treffen und bin mitten in die Nationaltagsfeier geplumpst.

Dies hätte fast ein x-beliebiges Sommerfest sein können, mit Hüpfburg, Rede, Fika für alle (die kalten Getränke waren eine willkommene Erfrischung bei 27 °C) und Preisverleihung. Einige liefen tatsächlich in Tracht umher, aber das waren vermutlich die Mitglieder der Volkstanztruppe, deren Aufführung ich verpasst habe. Doch zwei Dinge waren schon ein bisschen nationalfeierig. Zum einen wurde die Nationalhymne gesungen. Das habe ich in Schweden noch nie erlebt. Aber weil ein Sänger am Mikrophon laut vorsang, hatte ich den Eindruck, dass die Schweden eher ein bisschen mitmurmelten, anstatt inbrünstig mitzuschmettern. Und dann die Flaggen: Die große Flagge war gehisst, an den alten Häusern wehten die Flaggen und auch die Tortenstückchen waren mit kleinen Schwedenflaggen geschmückt. Das sieht schön aus, denn die blau-gelben Flaggen fügen schöne, bunte Farbtupfer zu den frühlingsgrünen Birken und den roten Holzhäusern hinzu.

Fika: Kaffe und KuchenDie schwedische Flagge ist gehisst

Die Schweden sind angenehm integrierend, was den Nationaltag angeht: Nicht nur Volkstänze sind gezeigt worden, sondern auch Tänze aus Afrika (habe ich ebenfalls verpasst) – immerhin leben in Norsjö auch viel Zugezogene aus vielen verschiedenen Ländern. Und an der Hauptstraße hingen nicht nur schwedische, sondern auch dänische, norwegische und finnische Flaggen.


Anschließend haben wir noch Freunde von Lasse und Martine besucht und uns anschließend ein altes Gehöft angeschaut, welches seit 30 Jahren unbewohnt ist. Eine Traumlage direkt am Fluss, aber wer diese Häuser wieder komfortabel bewohnbar machen möchte, hat viel Arbeit vor sich. Für mich, der sich zum einen in Skelleftehamn sehr wohl fühlt und zum anderen kaum einen Nagel gerade einschlagen kann, wäre das nichts.

Verlassenes Haus …… auf großem Grundstück direkt am Fluss

Bis spätabends saßen wir dann noch draußen in Kusfors, bis wir irgendwann vor den Mücken nach drinnen geflohen sind, denn jetzt geht es langsam los mit dem Gesirre und Gepiekse diese kleinen Plagegeister.

Sommerpaddeln

Wie soll ich es bitte schön schaffen, noch drei Wochen zu arbeiten, wenn sich alles jetzt schon so schön sommerig anfühlt. Wenn die Schweden nur noch Bilder von Booten und Sommerhäusern posten und sich die Gesprächsthemen nur noch um das schöne Wetter oder eventuelle Urlaubspläne drehen.

Aber – es hilft nichts, drei Wochen muss ich noch durchhalten, ehe Hello Future in die Sommerpause geht und ich vier Wochen frei habe. Heute hatte ich schon einen kleinen Vorgeschmack: Eine kleine Paddeltour. Aber nicht wie vor zehn Tagen mit Handschuhen, Mütze und Trockenanzug, sondern barfuß und mit T-Shirt (und Schwimmweste). Was für ein herrlicher Kontrast. Ein bisschen vor mich hinträumend paddelte ich gemütlich vorwärts oder ließ mich treiben. Es ist absolut unvorstellbar, dass hier im Winter alles dick zugefroren ist. Überhaupt – Winter, was ist das? Doch nicht hier? In Sommerschweden?

Als ich nach der Tour wieder an Land wollte, musste ich aufpassen, dass ich keinen mit meinem Kajak überfahre, denn zwei Familien badeten im Wasser. Wenige Minuten später planschte auch ich in Badehose im kühlen Wasser der Ostsee. Mein erstes Sommerbaden – herrlich!

Quellwolken über dem LandUnter- und Überwasser

#cresum14

Was anderen das Weihnachtsfest, der Geburtstag oder die Silvesternacht ist, ist mir der Creative Summit in Skellefteå. Zum fünften Mal saß ich vorgestern und gestern in einem der roten Klappstühle des Nordanåtheaters, hörte den Rednern zu und dachte: Wieder ein Jahr vorbei. Denn als ich 2010 das erste Mal dabei war, lebte ich gerade sechs Wochen in Schweden, jetzt sind es über vier Jahre.

Creative Summit 2014

Gestern Abend war wieder die traditionelle Party bei uns in den Büroräumen, wie jedes Jahr nach dem Creative Summit. Doch dieses Jahr war wenig los, denn die überschaubare Gruppe, die noch übrig war, drängte sich in einem der Büros vor der Leinwand, um der Liveübertragung der Fußballweltmeisterschaft beizuwohnen. Die anderen schauten vermutlich zu Hause. Nur ein Dreiergrüppchen verweigerte sich standhaft dem WM-Spektakel: Ein Finne, eine Italienerin und ich, den Fußball ähnlich wenig wie Synchronschwimmen interessiert. Aber zwei neue nette Menschen treffen und Zeit und Ruhe zum Kennenlernen haben, ist ja auch richtig schön und mehr, als so manche andere Party bieten kann.

Jetzt, am Tag danach, sitze ich zu Hause vor dem Rechner und sollte arbeiten. Aber ich bin ganz schön platt von den letzten zwei Tagen. Viel schaffe ich wohl nicht heute.

Der Tag, an dem ich vielleicht Fan des Inlandes wurde

Im Juni, da kommen alle Einladungen auf Mal, denn im Juli wird Schweden geschlossen. Und so kam es, dass ich sowohl am Samstag als auch am Sonntag eingeladen war. Erst eine Geburtstagseinladung bei Annica und Martin in ihr Sommerhaus in Bygdeträsk. Eine wunderschöne Feier mit netten Freunden und Bekannten, viel gutem Essen, Baden in der geheizten Badetonne und im kaltem See, Gitarre und Gesang und vielem mehr, was aus einem Samstag einen schönen Samstag macht. Hier zeige ich dieses Mal nur zwei Fotos, eines von elf Uhr abends, eines von Mitternacht:

Späte Abendstimmung über dem GöksjöMitternacht

Ich habe in Bygdeträsk übernachtet und um neun Uhr morgens, als die meisten anderen noch schliefen, habe ich mich ins Auto gesetzt und bin über die Dörfer ins Inland gefahren. Wenn ich zur Zeit durch die Landschaft fahre, komme ich mir vor wie ein Schwamm, der Sommerfarben aufsaugt. Das Hellblau des Himmels, das Dunkelblau des Sees. Das Hellgrün der Birkenblätter, das Dunkelgrün des Nadelwalds. Dazwischen das Rot der Häuser und das Blau-gelb der Schwedenfähnchen. Und überall blühen die Wiesenblumen um die Wette. Wunderschön!

Mein Ziel war Åmträsk, welches im Inland genau mitten im Nirgendwo liegt. Dorthin hat Birgit, Autorin der Erzählung Gömda men inte glömda diejenigen, die an dieser Produktion maßgeblich beteiligt waren, auf ihr Sommerhaus eingeladen. Da ich die Musik geschrieben habe und als Pianist mit auf der Bühne bin, durfte auch ich mit dabei sein.

Nach gut zwei Stunden Fahrt bin ich in Åmträsk angekommen und schaue mich begeistert um. Eigentlich fand ich Inland ja immer ein bisschen langweilig: Wald, Wald, Wald, Moor, Wald. Und wieder von vorne. Was ich aber vergessen habe, ist, wie viele Seen es hier gibt. Und auf einer riesigen Wiese, direkt am See Åmträsket, dort haben Birgit und Robert ihr Sommerhaus. Sommerhaus – haha! Das Ganze ist ein riesiger Hof mit mehreren Wohnhäusern, jedes davon größer als mein Haus, mit großen Schuppen, kleiner Hütte am See, Bootshaus und vielem mehr. Ein ganzes Anwesen, nur für die Sommermonate! Ich fühle mich sofort wohl, nicht nur, weil ich weiß, dass ich gleich nette Menschen treffen werde, sondern weil speziell dieser Ort mit positiver Energie getränkt zu sein scheint.

Zuerst saßen wir in der geräumigen ofengeheizten Küche und haben – richtig gedacht! – geschlemmt.

„Könnt Ihr Euch die Küche ohne Frau denken – Ich kann das nicht“Gemütliches Kaminfeuer

Dann zerstreute sich das Ganze ein bisschen: Der dreijährige Sohn der Regisseurin war selig. Er durfte Traktor fahren! Dann sind wir durch den Wald zur kleinen Hütte am See gelaufen. Haben Feuer gemacht. Einige liefen zurück, um kurze Zeit später angelnd im Boot vorbeizufahren. Ich habe meine Nase in die verschiedenen Schuppen gesteckt (ausdrücklich erlaubt!), die kleinen Hunde gestreichelt, noch mehr gegessen und noch etwas für mich ganz Besonderes gemacht:

Ich habe mir das erste Mal in meinem Leben freiwillig Kaffee nachgegossen. Dabei mag ich das Zeugs doch eigentlich gar nicht! Mutiere ich jetzt etwa zu einem Schweden? Oder übertragen manche Mücken ein Ich-mag-Kaffee-Virus? Das könnte den hohen Kaffeekonsum im Norden gut erklären.

Eine der alten ScheunenKaffee kochen

Später – nach dem Grillen und damit noch mehr leckerem Essen – habe ich noch eine Bootstour mit Robert gemacht. Durch den See führt ein wunderschönes Flüsschen, welches man vor einigen Jahren noch weite Strecken bepaddeln konnte. Seit der Renaturierung kann man nur noch ein Stück in die Arme hineinfahren, aber auch diese kürzere Strecke war schon wunderschön. Das Stück Regenbogen am Himmel war dann schon fast zu viel der Schönheit, aber die Natur kennt zum Glück keinen Kitsch. Den erzeugen nur Maler und Fotografen, die Regenbögen abbilden … 

Nach einer Stunde kehrten wir um, ich mit Fotos, Robert mit einem frisch geangeltem Hecht, so waren beide zufrieden!

Mit dem Boot durch den Sommer

RegenbogenSchräglage

Flusswandern – dort vorne ist leider der schiffbare Teil zu Ende

Schwer nur konnte ich mich losreißen, so gut hat mir dieser Platz gefallen. Und so wurde gestern der Sonntag zu dem Tag, an dem ich vielleicht ein bisschen Fan des Inlandes wurde. Aber Skelleftehamn mag ich immer noch lieber, denn dort ist das Meer!

Heute hat es hier übrigens geschüttet und gehagelt und die Temperaturen sanken auf 5 °C. Und eben gerade lese ich von K. aus Nattavaara in Lappland den Facebook-Eintrag, auf den ich schon den halben Tag warte: „It’s snowing!“. (Nachtrag: Hier dazu der Blogartikel von Kevin).

Midsommar i Hummelholm

Dieses Jahr habe ich Mittsommer in Hummelholm in der Nähe von Umeå verbracht. Dort war ich mit Martine und Lasse bei deren Freunden eingeladen und habe so eben mal das halbe Dorf kennengelernt, denn Hummelholm hat nur rund 60 Einwohner.

Es war ein schönes Fest, auch wenn es nicht so viel mit dem Klischee-Mittsommer zu tun hatte.

Zum Mittsommer gehört eingelegter Sill (Hering) in verschiedenen Variationen, Kartoffeln, Dünnbrot und Schnaps. In der Hummelholm-Variante gab es den Sill nicht wie üblich einfach nur eingelegt, sondern in Form von sehr leckeren Salaten und auch die Kartoffeln gab es in Salatform. (Nebenbei bemerkt mit der beste Kartoffelsalat, den ich je gegessen habe). Und zwei der Schnäpse waren selbstgemacht.

Trinkt man Schnaps in Schweden, so hebt man gemeinsam das Glas, meistens von einem Trinklied und einem „Skål“ begleitet. Oft ist es das Lied „Helan går“, denn das kennt jeder. In der Hummelholm-Variante gab es kein Helan går, sondern Verballhornungen schwedischer Volkslieder. Auf den Tischen lagen Texte, die dann auf bekannte Volkslieder gesungen wurden. So wurde aus „Uti vår hage där växa blåbär“ (Auf unserer Weide wachsen Blaubeeren) zum Beispiel „Uti vår mage där växa begär“. (In unserem Magen wächst Verlangen).

Zum Mittsommer gehört auch die Mittsommerstange, die mit dem deutschen Maibaum verwandt ist. Und natürlich die Mittsommertänze wie zum Beispiel „Små grodorna“, das Lied von den kleinen Fröschen. Und viele Mädchen und Frauen haben Blumenkränze im Haar. In der diesjährigen Hummelholm-Variante gab es allerdings keine Blumenkränze, stattdessen haben alle Hut getragen, eine kleine lokale Tradition.

Auch die Mittsommerstange fiel aus und daran war die Wettervorhersage schuld, die schon seit Tagen sehr nasses und ziemlich kaltes Schauerwetter prognostizierte. Und die Vorhersage hatte recht! Die Temperaturen erreichten gerade Mal sieben Grad und ein heftiger Hagelschauer tauchte Teile der Wiese in winterliches Weiß. Der Hagel blieb viele Stunden liegen, denn kalt war es ja auch. Immerhin schneite es nicht, wie zum Beispiel in Kiruna.

Ein heftiger HagelschauerKleine Birke im Hagel

Und so kam ich zu einem weiteren besonderen Erlebnis: Meinem ersten Mittsommerfest ohne eine einzige Mücke!

Später am Abend wurde dann aber doch noch kurz eine Mittsommertradition aufgegriffen: Die Mittsommertänze. Anlass war ein Gast aus England, der noch nie in Nordschweden war und für ihn wurden „Små grodorna“ und „Vi äro musikanter“ dargeboten, allerdings drinnen, wo es warm und trocken war und aufgrund der späten Stunde in einer leicht beschiggerten Variante.


Ein Foto noch aus dem Dorf: Dort steht das Amerikahaus, ein verwittertes mehrstöckiges Holzhaus, welches schon viele Jahre auf dem Buckel hat. Leider sind inzwischen Teile des Daches eingefallen und deswegen wird das Haus vermutlich irgendwann abgerissen werden (oder einfach verfallen gelassen – eine beliebte schwedische Variante). Als ich durch das kniehohe nasse Gras zum Haus watete, hörte ich ein lautes Ssst-rumms! Eine Dachlawine von Hagelkörnern kam heruntergeschossen. Gut, dass ich noch einiges vom Haus entfernt war, das hätte bestimmt gut weh getan.

Quellwolken über dem alten „Amerikahaus“

Sommerdämmerung

Nennt man das nun eigentlich Abend- oder Morgendämmerung, wenn es ohnehin nicht dunkel wird? Ich entscheide mich für Sommerdämmerung, das klingt am nettesten.

Heute Abend habe ich trotz Müdigkeit keinen Weg ins Bett gefunden und als es um ein Uhr nachts draußen so schön aussah, habe ich mich noch einmal ins Auto gesetzt und bin an den Ostsee-Bootshafen Tjuvkistan gefahren. Dort habe ich lange gestanden und mich an den schönen Dämmerungsfarben erfreut.

Sommerdämmerung

Die Sonne, die um zehn vor zwei aufging, hat sich allerdings hinter den aufziehenden lila-grauen Wolken versteckt und immer nur mal hier und dort einige rotorange Strahlen durch die Wolkenlücken auf die sanft wellige Wasseroberfläche geschickt. Ein völliger Kontrast dazu die Bucht des Bootshafens: Hier war die See spiegelglatt und das Licht immer noch fahl und wäre die Spiegelung der Bojen nicht dunkler als ihr Original über Wasser, so könnte man das Bild auch umdrehen.

Nächtliches WolkendramaSpiegelglatte Bucht

Erst kam ich mir ein bisschen albern vor. Hose und dicke Winterjacke über den Schlafanzug, ist das nicht viel zu warm? Nein, ist es nicht, denn schon seit Mittsommer ist es kalt: Lag die Höchttemperatur vor drei Wochen noch bei 26 °C, wurden heute gerade noch 12 °C erreicht. Und die Nacht war frisch. Irgendwann habe ich sogar die Kapuze aufgesetzt, weil mir kalt war. Als ich gegen halb drei wieder zu Hause war, zeigte das Thermometer gerade noch ein Grad an.

SommerfotografieSommerkälte

Nun hoffe ich, dass es die nächsten Wochen wärmer wird, denn ab Dienstag habe ich vier Wochen Urlaub und erwarte Gäste aus Deutschland. Denen möchte ich gerne schwedischen Hochsommer zeigen, nicht herbstliches Fröstelwetter. Nur einen kleinen Vorteil bietet das Ganze: Auch diese Nacht keine einzige Mücke!


Nachtrag: Das zweite Bilder ist wesentlich dunkler als die Wirklichkeit, so „finster“ wird es bei uns zur Zeit nicht. Aber wenn das Fotos die richtige Helligkeit hätte, wären die Farben zu blass. Fotografie ist oft ein Kompromiss.

Nachtfrost

Ein Bild noch von der letzten Nacht, welches ich gegen vier Uhr im Garten gemacht habe, im Schlafanzug auf dem leicht raufreif bedeckten Rasen kniend.

Raureif auf einem Blatt einer Schafgarbe – Ende Juni!

Man sollte dazu aber sagen, dass dies ein Ausschnitt aus einer Makroaufnahme ist. Mit bloßem Auge war der Raureif nur als weißer Schimmer auf der Rasenfläche erkennbar. Soo winterlich ist es dann auch wieder nicht.

Urlaub

Heute hatte ich den letzten Arbeitstag. Jetzt beginnen vier Wochen Sommerferien. Das gibt mir das Recht auf ein bisschen Faulheit. Die schlägt sich schon in diesem Blogartikel nieder: Kein großer Text und das Foto habe ich kurzerhand barfuß vor der Haustür gemacht.

Eine mittelkleine Urlaubswolke

Dies werden die ersten Sommerferien sein, in denen ich nicht die ganze Zeit herumreise. In einer Stunde landet mein erster Besuch, in einer Woche der zweite. Die dritte Woche wird ruhig und die vierte fahre ich mit Freunden auf die Lofoten, denn ganz ohne Reisen geht es doch nicht.

Ich wünsche Euch einen schönen sonnigen Juli, ob Ihr nun arbeitet oder urlaubt.

/Olaf