Skitour – Sturm auf dem Fjäll
Dieser Artikel ist Teil der sechsteiligen Serie Fjälltour 2013.
Sonntag, 27. Januar
Wir beenden unsere Pause an den Vålåstugorna und laufen weiter in die Berge. Es ist sehr windig, doch wir finden tatsächlich einen Pausenplatz, an dem der Wind nicht zu stark ist.
Kaum brechen wir auf, wird der Wind noch stürmischer und man kann kaum noch etwas sehen. Ich kann gerade noch ein Foto von Jonas machen, ehe eher vom Weiß verschluckt wird.
Ich weiß nicht, ob es auch schneit, oder der Sturm nur den Schnee meterhoch aufwirbelt. Der Effekt ist der Gleiche: Man sieht fast nichts mehr. Wir bleiben dicht zusammen und hangeln uns von Wegmarkierung zu Wegmarkierung. Manchmal sieht man zwei, manchmal eine, dann keine mehr. Wir laufen geradeaus weiter, finden noch zwei Kreuze und stehen dann im weißen Nichts. Der stürmische Wind lässt Schnee an die Kapuze prasseln und zerrt an jeder Schnur, an der Kleidung und an den Skistöcken. Selbst mit Schreien ist die Verständigung nicht leicht.
Wir versuchen noch, durch Zufall eine Markierung zu finden, geben dies schnell auf und suchen statt dessen einen Zeltplatz, sprich eine weiße Fläche, die halbwegs eben ist.
Habt Ihr schon einmal ein Tunnelzelt im Sturm aufgebaut? Ich nicht. Es geht aber überraschend einfach, auch wenn ich Angst hatte, dass uns das Zelt mitsamt der Skier, die wir zum Fixieren benutzt haben wegfliegt. Jonas macht das meiste, er ist ja wesentlich erfahrener als ich. Von ihm kommt auch die Idee, das Innenzelt auszuhängen und unsere Pulken in das Zelt zu tragen. Nun sind wir erst einmal vor den Elementen geschützt. Obwohl es nicht kalt ist, klappere ich mit den Zähnen und ziehe sowohl Daunen- als auch meinen weiten Überanorak an. Jonas kocht Makkaroni mit Butter und Käsesoße. Mit dem Essen kommt die Energie und auch die Wärme wieder. Jonas gräbt das Zelt so weit, wie es geht im Schnee ein, denn selbst durch die kleinste Ritze kommt Schneestaub geblasen. Dann wartet der warme Schlafsack auf uns. Fast …
Manchmal muss man auch über eklige Dinge schreiben. Empfindliche Gemüter dürfen diesen Absatz gerne überspringen. Seid Ihr schon mal draußen auf Klo gegangen? Groß? Im Sturm? Im Schnee hockend? Und sehend, wie die Hinterlassenschaften über das gegrabene Loch hinweggeweht werden? Leute, ich kann Euch sagen, es gibt Dinge, die mehr Spaß machen! Froh war ich, als ich wieder im Zelt war.
Die ganze Nacht rüttelt der böige Sturmwind am Zelt. Jonas verstärkt noch die Schneemauern. Manchmal kommt eine Böe von der Seite und versetzt dem ganzen Zelt einen harten Schlag. Ab wann bricht eigentlich so ein Gestänge, frage ich mich? Mitten in der Nacht wird es ein bisschen heller, der Mond schaut wohl zwischen den Wolken hervor, doch es ist noch unverändert stürmisch.
Montag, 28. Januar
Auch am Morgen ist es noch sehr windig und es schneit. Im Luv hat der Wind meine Skier metertief im Pulverschnee vergraben, im Lee liegt so viel Schnee auf dem Zelt, dass die Apside bis zum Kocher durchhängt. Die Pulken sind halb vom Schnee bedeckt. Wir werden später sehen, dass auch in den Pulken der Schnee an die unmöglichsten Stellen geblasen wurde.
Ich bestimme unsere Position mit dem GPS. Wir stehen mitten auf einem kleinen See. Vermutlich sind hier keine Markierungen gesteckt, da noch Vorsaison ist. Ich speichere die Koordinaten der nächsten zwei Hütten ins GPS, denn unser Ziel ist es, die nächste Nacht in einer Hütte zu verbringen und Kleidung, Schuhe und Schlafsack aufzutauen und zu trocknen.
Nachdem wir das Zelt vom Schnee befreit, Wasser gekocht, Tee und Müsli gemacht und gegessen haben, beruhigt sich der Wind ein wenig. Wir schieben wieder die Pulken in das Zelt und packen. Das Zelt rollen wir mit den einmal geknickten Stangen einfach zusammen und schnallen es auf meine Pulka. Und als wir aufbrechen, klart es auf.
Schnell sind wir bei der drei Kilometer entfernten Härjångsdalen-Hütte. Hier darf man allerdings nur in Notfällen übernachten. Daher machen wir hier nur eine Pause und laufen dann weiter.
Wir laufen weiter aufwärts zu den vier Kilometer entfernten Gåsenstugorna. Der Wind kommt von vorne, ist aber längst nicht mehr so stark. Die Berge im Rücken werden von der Sonne beschienen und auf dem Sattel vor uns leuchten die roten Holzkreuze in der Sonne.
Noch ein Meter, noch ein Meter, da ist sie: Wir stehen und schauen in die goldorange Sonne. Schnee weht uns am Boden entgegen, ebenfalls goldorange bestrahlt. Ein wunderbarer Moment.
Das Schneetreiben als Video. (Wenn die Fläche weiß bleibt, schaut das Video direkt auf Vimeo.)
Wir laufen noch um eine Ecke und dann sind die Gåsenstugorna in Sicht. Die Sonne geht unter und wir laufen in großen Schritten abwärts, bis wir an der Hütte stehen. Wir schaufeln den Eingang frei und ich hole Holz aus dem „Vedbo“, dem Holzschuppen. Es wird Stunden dauern, bis wir die frostige Hütte auf Plusgrade geheizt haben. Wir hängen so ziemlich alle Kleidungsstücke zum Trocknen auf und breiten uns aus, denn wir sind hier alleine. Außer uns ist wohl niemand unterwegs.
Dienstag, 29. Januar
Ein fauler Tag. Den Ofen in Gang halten, mehrere warme Mahlzeiten einnehmen, überprüfen, ob Kleidung und Schlafsack getrocknet sind, auch damit kann man einen Tag ausfüllen. Ich gehe hinaus und fotografiere Holzkreuze.
Doch in einem habe ich mich geirrt: Wir sind nicht allein. Es kommen zwei Männer mit Motorschlitten. Sie kümmern sich um die Markierungen und die Hütten. Von ihnen erfahren wir, dass zwei Schneeschuhläufer kommen werden. Unser erster Gedanke: Deutsche? Denn welcher Schwede läuft schon mit Schneeschuhen, wenn man Skilaufen kann! Doch die Schneeschuhgeher sind Belgier, die beide ein Snowboard hinter sich herziehen, mit dem sie die Abfahrten nehmen wollen.
Wir alle sind früh im Bett, doch nachts ist der Mond so schön, dass ich mir noch einmal Überhose und Anorak anziehe und fotografiere. Mondnächte im Fjäll sind wunderbar.
8 Kommentare für „Skitour – Sturm auf dem Fjäll“
Sönke schreibt:
Hej
Mit großem Interesse habe ich Eure Tour verfolgt. Sicherlich habe ich versucht mir duch Bilder im Netz eine kleine Vorstellung zu machen wie es auf Eurer Route ausschaut….aber ich muß gestehen, die Vorstellung war klitzeklein! Toller Bericht bisher und wirklich sehr schöne Bilder – Großes Kompliment…
Und ein paar neue fans hast Du hier im Büro nun auch – da ich keinen Absatz übersprungen habe, wirkte mein Lachen wir ein Magnet auf die Kollegen :-)
Schöne, erholsame Woche in der Zivilisation.
Matthias Feist schreibt:
Hast du dir ein eigenes GPS gekauft, nach dem du laufen kannst oder hast du das via Smartphone und App gemacht?
Olaf Schneider schreibt:
@Sönke Mit Bildern ist das immer leichter, aber letztendlich skizzieren sie nur einige kleine Momente. Vieles, was die Tour ausmacht, kann von Fotos nicht erfasst werden.
@Matthias Ich habe ein iPhone. Ein tolles Gerät, wenn man es nicht draußen im Winter benutzen will: Es kann überhaupt keine Kälte ab (Und das können schon +5 °C sein!) und ist mit warmen Handschuhen nicht zu bedienen. Ich hatte ein richtiges GPS dabei, hatte es aber nur diesen Tag an.
Evi schreibt:
Hallo und Hochachtung Euch Beiden!
Es ist wirklich so, dass man nicht alles mit Worten und Bildern beschreiben kann………man muß es erlebt haben, so wie Ihr!
Aber es war auch für mich ein aufregendes Erlebnis, jetzt noch mit den tollen Fotos und Berichten! Danke……………….
und ich hoffe, dass Du viele neu Eindrücke aufarbeiten kannst!
Sonya schreibt:
Ich hab schallend gelacht über deine Nachtepisode :D.
Ich mag die Sonnen- und Mondfotos. Alles mit der neuen Kamera gemacht? Hat sie sich gut bewährt?
Olaf Schneider schreibt:
Die D800 ist wirklich fein. Aber einige Fotos (die Fischaugenmotive) habe ich mit der D300s gemacht. Ja, lästert Ihr alle, ich habe beide Gehäuse mitgeschleppt. Und natürlich sind die Akkus nicht kompatibel.
Pia schreibt:
Olaf, Olaf,
watt sollich saaachn? ;-)
Ich wiederhole mich ja permanent, aber es sind einfach mal wieder wunderwunderschöne Fotos!!!
So klar, transparent, brillant, man sitzt förmlich mittendrin!
Meine 20 Lieblingsbilder hätte ich bitte gerne in einem metergroßen Panorama-Wechselrahmen.. ;-)
Olaf Schneider schreibt:
Danke, Pia!