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Nordwärts

Vom Leben in Skelleftehamn

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Jubiläum – 5 Jahre Schweden

Heute ist schon ein besonderer Tag: Genau heute vor fünf Jahren bin ich Skellefteå in Nordschweden angekommen. Seitdem lebe ich hier, die ersten Monate in Skellefteå selbst, den Rest der Zeit in Skelleftehamn an der Küste. Fünf Jahre ist eine lange Zeit. Dass ich einmal in München gelebt habe, scheint Ewigkeiten zurückzuliegen. Ich vermisse immer noch Freunde und Familie, die in Deutschland leben, das wird sich wohl nie ändern, aber abgesehen davon vermisse ich Deutschland nicht wirklich, mein Leben „hier oben“ gefällt mir einfach zu gut. (Na gut, deutsches Brot vermisse ich, aber das ist ein anderes Thema …) Ich will den heutigen Tag ein bisschen zurückschauen und ganz subjektiv über einige Facetten meines Lebens hier in Schweden schreiben.

Los geht’s:

Natur

Wer dieses Blog ein bisschen kennt, der weiß, dass ich gerne in der Natur bin, wenn auch nicht so oft, wie ich gerne möchte. Meine Liebe zur skandinavischen Natur war ja eine der großen Triebfedern, warum ich überhaupt vor fünf Jahren hier hochgezogen bin. Sie war auch schon vorher Triebfeder, als ich vor elf Jahren von Essen nach München gezogen bin, denn damals wollte ich entweder Berge oder das Meer in der Nähe haben.

In München waren die Berge immer noch eine Stunde entfernt, hier kann ich zum kleinen Sandstrand am Meer laufen und dabei das Kajak auf seinem kleinen Wägelchen hinter mir herziehen. Und im Winter kann ich vom Haus aus Skitouren über das Meereis. unternehmen. Das sind Sachen, über die ich mich noch genau so freuen kann wie beim ersten Mal.

Wenn ich es mir aussuchen kann, dann bin ich gerne dort unterwegs, wo man weit gucken kann. Deswegen mag ich ja das Meer auch so, selbst wenn es „nur“ die Ostsee ist. Und deswegen vermisse ich auch manchmal die schwedischen Berge, das Fjäll. Es wäre schön, sie vor der Haustür zu haben. Doch anders als in Norwegen gibt es in Schweden keinen Ort, wo man Meer und richtige Berge gleichzeitig haben kann. Aber man kann ja hinfahren, das Fjäll ist gerade mal 300 Kilometer entfernt – ein Klacks für manchen schwedischen Autofahrer.

Kultur

Was ich hier mit Kultur meine: Musik, Kunst oder Theater. Was ich hier nicht mit Kultur meine: Tischmanieren oder fließendes Wasser.

Kultur – dafür, dass Skellefteå so klein ist, gibt es erstaunlich viel davon. Es gibt Museen, es gibt ein aktives Theater, es gibt eine Musikszene, nur leider keine guten Aufführungsorte für Musik, aber das ist in Deutschland ja oft auch nicht anders. Außerdem habe ich den Eindruck, dass jeder hier irgendetwas Kreatives macht, ob Musik oder Fotografie, Malerei oder Töpferei.

Es gibt auch hervorragende Jazzmusiker in der Stadt – ich war wirklich überrascht. Doch leider – auch ähnlich wie in Deutschland – findet man kaum mal zu einer Session oder einer Probe zusammen. Alle haben einen Fulltimejob (oder zwei …), die meisten haben Familie, da bleibt für die Musik aus Spaß an der Freude neben dem Kommerz oft wenig Zeit.

Darüber hinaus findet Kultur im Sommer nicht statt, denn dann ist Medelsvensson – der Durchschnittsschwede – auf seiner Stuga – in seinem Wochenendhaus. Dort bleibt er viele Wochen, um seine Ruhe zu haben, Boot zu fahren, die alte Stuga abzureißen, eine neue zu bauen, zu grillen, in die Sauna zu gehen und vor allem, um den schwedischen Sommer zu geniessen – mit 24 Stunden Helligkeit und oft auch sommerlicher Wärme. Da hat man für so etwas wie Kultur keine Zeit.

Im Winter hingegen beginnt irgendwann die Eishockeysaison, und da Skellefteå AIK zwei Mal hintereinander schwedischer Meister war, spielt Eishockey hier eine enorme Rolle. Wenn abends gespielt wird, braucht man gar nicht anzufangen, für diesen Abend ein Konzert zu planen. Die Prioritäten sind eindeutig.

Aber seien wir ehrlich: Wenn ich von München nach Nordschweden gezogen wäre, um mehr Kultur zu erleben, wäre ich schon ziemlicher Dummkopf.

Wetter

Das Zweitbeste am nordschwedischen Wetter finde ich die Jahreszeiten. Im Gegensatz zur Stadt Essen, wo man die unterschiedlichen Jahreszeiten hauptsächlich an der Temperatur des Regens unterscheiden konnte, sind hier alle Jahreszeiten klar ausgeprägt. Das liegt natürlich vor allem an dem Besten des nordschwedischen Wetters, dem Winter!

Wenn ich ehrlich bin, dann war es hauptsächlich der Winter, warum ich in den Norden Skandinaviens gezogen bin. Hier hat man monatelang Schnee und Kälte (wenn auch dieser Winter über viele Wochen extrem mild war) und das möchte ich nicht missen. Von mir aus darf es meterhohen Schnee geben und gerne auch rattenkalt sein – möglichst von November bis April. Und wenn es dann klar ist und ich das Polarlicht sehe – um so schöner. Dieses Jahr hat es allerdings so viele Polarlichter gegeben, dass ich für einen einfachen grünen Bogen nicht mehr groß hinausschaue – da geht mein Schönheitsschlaf vor!

Doch jetzt ist Frühling, die Schneehaufen schmelzen zusammen, die Tage sind schon lang und gestern hatten wir das erste Mal über 15 °C. Ein guter Start in die helle und warme Jahreshälfte.

Job

Wer hätte das gedacht, dass ich jemals in meinem Leben fünf Jahre bei dem gleichen Firma angestellt sein würde. Vielleicht am wenigsten ich selbst. Ich, dem viel Zeit und Flexibilität so wichtig ist und der erst ein einziges Mal in seinem Leben vorher angestellt war: 15 Monate bei einem Münchner Unternehmen. Das ging nicht so gut, wir passten einfach nicht so zusammen.

Übermorgen vor fünf Jahren hatte ich meinen ersten Arbeitstag bei Artopod, welches sich kurze Zeit später in Hello Future umbekannt hat. Ein Grund dafür ist die ungeheure Flexibilität, die ich dort geniesse. Ich habe nicht nur wesentlich mehr Urlaub als üblich (und dafür natürlich weniger Geld), sondern ich konnte auch ohne jegliche Schwierigkeiten darüber hinaus dienstfrei nehmen, um diesen Winter meine Nordkalotten-Reise zu machen. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich jemals wieder ein Unternehmen finden werde, bei dem ich solch eine Freiheit geniessen werde. Und auch so ein Vertrauen, denn eine Zeiterfassung haben wir nicht, auch nicht für Urlaubstage.

Die Stadt

Ehrlich gesagt bekomme ich gar nicht so viel von der Stadt mit. Zwar arbeite ich meistens im Büro in Skellefteå (und manchmal zu Hause), doch darüber hinaus bin ich selten dort. Es gibt weder einen Foto-, noch einen richtigen Outdoorladen und überraschenderweise auch keine deutsche Buchhandlung, das macht mein Leben überraschend günstig.

Aber es gibt neben den schon erwähnten Museen und dem Theater auch Kinos, eine Musikschule, ein riesiges Antiquariat und einen Jazzclub. Nicht schlecht für eine Stadt von 33000 Einwohnern, oder?

Ich bin froh, dass ich nicht in der großen, großen Stadt wohne, sondern hier in Skelleftehamn, wo ich fast auf Hafen und Meer schauen kann und von Wald umgeben bin. (Kleine Korrektur: Hier gibt es keinen Wald, sondern nur Forst. Und der ist zum Abholzen da, wie es diesen Winter leider recht großflächig geschehen ist.)

Essen

Ich bin tolerant, ich denke meiner Meinung nach sehr frei und habe mit kulturellen Unterschieden keine Probleme. Beim Essen in Skellefteå stoße ich aber manchmal an meine Grenzen. Das geht übrigens manchem Schweden aus Stockholm nicht anders.

Folgende nicht ganz ernsten Regeln habe ich extrahiert:

  • Regel 1: Fleisch und Kartoffeln. Damit kommt man durch das Jahr.
  • Regel 2: Gemüse ist völlig unnötig, darf aber notfalls als Dekoration benutzt werden.
  • Regel 3: Salat ist Eisbergsalat, Tomate, Gurke und alles, was man in Konserven findet, zum Beispiel Mais oder Kidneybohnen. Dressing ist überbewertet.
  • Regel 4: Beasås geht zu allem, zu Fleisch, zu Pizza, zu italienischen Pasta. Dabei ist „Bea“-Soße nicht mit echter Béchamelsauce zu verwechseln. Sie ist kalt und hat die Konsistenz von Kleister.
  • Regel 5: Man kann alles in eine Pizza Calzone einbacken. Auch einen Hamburger! Inklusive Pommes!
  • Regel 6: Schwedisches Brot folgt eigenen Gesetzen. Dazu empfehle ich Frau E.’s Artikel Bread behind the boarders (englisch).
  • Regel 7: Viele Schweden halten ihr Essen für das beste der Welt.
  • Regel 8: Wenn dann „der Schwede“ aber selber kocht, ist das Essen fast immer phantastisch und entspricht wenig den vorherigen Regeln.

Schwede werden?

Wenn ich recht informiert bin, dann darf ich jetzt Schwede werden, denn dazu muss man fünf Jahre in diesem Land gelebt haben. Ehrlich gesagt ist es mir ziemlich egal, was ich für eine Nationalität in meinen Ausweisdokumenten angegeben habe. Ich kann mit dem Konzept der Nation ohnehin nicht viel anfangen.

Es gibt aber ein Argument, welches für die schwedische Staatsbürgerschaft spricht und das sind die schwedischen Reichstagswahlen, die mit den deutschen Bundestagswahlen vergleichbar sind. Ich darf zwar an den Kommunalwahlen (kommunalval) und den Landtagswahlen (landstingsval) teilnehmen, aber an den Reichstagswahlen (riksdagsval) darf ich nicht teilnehmen. Den deutschen Bundestag hingegen kann ich auch vom Ausland aus weiterhin wählen, obwohl ich seit Jahren nicht mehr in Deutschland lebe.

Das führt zu der seltsamen Situation, dass ich durch meine Wahl die deutsche Politik mitbestimmen darf (zumindest zu 0,0000016 %), aber in Schweden, dem Land in dem ich arbeite, lebe und meine Steuern zahle, darf ich das nicht. Das gefällt mir nicht und deswegen ist es gut möglich, dass ich vor der nächsten Reichstagswahl Schwede werde.

Noch ein weiterer Schritt zu Olaf, dem Elch.

9 Kommentare für „Jubiläum – 5 Jahre Schweden“

Ma HB schreibt:

Lieber Olaf!
Da hätte ich nicht dran gedacht, dass Du heute seit 5 Jahren in Schweden lebst. 5 Jahre sind eine lange Zeit und widerum sind sie auch schnell vergangen. So ist das mit dem „Zeitgefühl“. Ich wünsche Dir so sehr, dass Du Dich weiterhin wohlfühlst und es Dir gut geht. Ma HB

Hannah Karlsson schreibt:

Das mit der Musikschule klingt ja irgendwie verlockend. Leider bin ich ein viel zu großer Schisser, um ans Auswandern zu denken. Das mit den echten Wintern (und den hellen Sommernächten) würde mich nämlich auch reizen…

Sylvia schreibt:

Das hätte ich nie gedacht, dass das jetzt schon 5 Jahre her ist, denn ich glaube, ich bin schon seit Deinen Anfängen in Schweden so kommentarmäßig dabei oder irre ich mich da? Immerhin für uns Leser und Schreiberlinge eine gute Nachricht, dass Du Dich offenbar immer noch sauwohl fühlst und wir weiterhin an Deinen Natur-und Reiseerlebnissen teilhaben dürfen. Auch wenn man akzeptieren muss, dass das Leben ein ständiger Wandel ist, freue ich mich immer über Beständigkeit. Hier haben wir also so etwas.

Ricarda schreibt:

Gratuliere zum 5-jährigen !!
Der Abschnitt über’s „Essen“ hat mir das ein oder andere Schmunzeln entlockt……erinnert es doch sehr an die norwegischen Essgewohnheiten.
Wünsche Dir auf alle Fälle, daß Du Dich weiterhin so wohl fühlst in Schweden und Du noch viele glückliche Jahre in diesem schönen Land vor Dir hast !
Liebe Grüsse

Olaf Schneider schreibt:

Danke Ma HB, Hannah, Sylvia und Ricarda.

@Hannah? Wie Auswandern? Ich bin doch nicht mit der Mayflower los gesegelt. Das ist lediglich ein EU-Umzug ;-)

Futzipelz schreibt:

Hallo Olaf,
ich verfolge deinen Blog nun auch 5 Jahre und mich, dass du dich gut integriert hast, dich wohl fühlst und anscheinend deinen Platz gefunden hast. Das ist toll.

Und, dass du immer noch am bloggen bist. Das gefällt uns sicherlich allen.

Dann, alles gute und auf die nächsten 5 Jahre ;)

Grüße
Futzipelz

Vllt urlauben wir diesmal in Schweden.

Annika schreibt:

Ich erst vier, aber dafür habe ich jeden Artikel auch schon ca, 10x gelesen ;-) Glückwunsch zum 5Jährigen! Und ich wünsche Dir, dass Dir die Freude an Deinem Leben da oben nie abhanden kommt.

Andreas schreibt:

Hej Olaf,
Glückwunsch zum 5-jährigen und ein großes Dankeschön für die vielen interessanten Blogeinträge und tollen Bilder. Vieles von dem was Du schreibst, kann ich ebenfalls „unterschreiben“, auch wenn wir erst seit vorigem Jahr unserem „Lappland-Virus“ freien Lauf gelassen haben und hier oben leben und arbeiten.
Liebe Grüße aus dem Schnee.
Andreas

Olaf Schneider schreibt:

Vielen Dank, Futzipelz, ein bisschen weiterbloggen tue ich hier. Das meiste schreibe ich aber auf way-up-north.

Vielen Dank, Annika – Du kennst das Blog ja besser als ich.

Vielen Dank, Andreas und schöne Grüße nach Slagsnäs.